Flugblatt

Resolution: Bildung und Wissenschaft zum Allgemeinwohl adäquat finanzieren!

Beschluss des Akademischen Senats der Uni Hamburg vom 28.06.2018

Am 01.11.2017 haben die Mitglieder der Universität Hamburg auf einem Dies Academicus zur Hochschulfinanzierung die Finanzierungslage der Uni Hamburg und Hochschulen im Bundesgebiet, die gesellschaftlichen Herausforderungen für die Wissenschaft und notwendige Perspektiven reflektiert und diskutiert. Als Ergebnis fasst der Akademische Senat die Erkenntnisse und weiteren Vorhaben in dieser Resolution zusammen.

Bildung und Wissenschaft zum Allgemeinwohl adäquat finanzieren!

Vor dem Hintergrund der aktuellen sozialen, politischen und internationalen Verwerfungen weltweit wachsen die gesellschaftlichen Erwartungen und Hoffnungen an die Universität, durch wissenschaftliche Erkenntnisse und Bildung an ziviler und nachhaltiger gesellschaftlicher Problemlösung mitzuwirken. Die Universität Hamburg will, wie in ihrem Leitbild gefasst, diese Erwartungen wahrnehmen und „zur Entwicklung einer humanen, demokratischen und gerechten Gesellschaft beitragen“.

Doch die Unterfinanzierung schränkt zunehmend entsprechende wissenschaftliche Verantwortung ein. Die mit der Schuldenbremse fixierte jährliche Steigerungsrate von 0,88 Prozent des Grundbudgets der UHH verursacht – auf Grund der tatsächlichen Tarif‐ und Preissteigerungsraten in Höhe von gut 2 Prozent pro Jahr – im Zeitraum 2013‐2020 ein Defizit in der Höhe von rd. 96 Mio. Euro. Im Zeitraum von 2009‐2016 ist der Anteil der Grundfinanzierung am Gesamtbudget von 72 Prozent auf 60 Prozent gesunken, während der Anteil temporärer Mittel von 28 auf 40 Prozent angestiegen ist. Diese Entwicklung verschärft die jahrzehntelange Unterfinanzierung der Universität, erschwert die Planungssicherheit, prekarisiert Beschäftigungsverhältnisse, behindert notwendige Sanierungs‐ und Baumaßnahmen, vertieft die Ungleichheit (auch innerhalb der Universität), schränkt das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit und Wahlfreiheit der Bildungsstätte weiter ein und steigert den Kommerzialisierungs‐ und Konformitätsdruck.

So gefährdet die Politik mit der Schuldenbremse, dass die Universität ihrer Verantwortung, an einer ökologisch, sozial und ökonomisch nachhaltigen Entwicklung zu arbeiten, nachkommen kann. Damit schadet diese Politik allen. Im Unterschied dazu hatte Prof. Dr. Florian Schui von der Universität St. Gallen in seinem Einstiegsreferat für den Dies Academicus unter dem Titel „ Bildung im Zeitalter der Sparpolitik“ aufgezeigt, dass gerade Phasen hoher Spitzen‐, Vermögens‐ und Gewinnsteuern verbunden mit investiver sozialer Staatstätigkeit die gesellschaftliche bzw. die positive wirtschaftliche Entwicklung begünstigen. Dies geht mit notwendiger Bildungsexpansion und wissenschaftlich‐technischer Erneuerung einher.

Die Universität Hamburg benötigt daher höhere Grundmittelzuweisung aus öffentlicher Hand. Das derzeit aus temporären Sondermitteln der UHH finanzierte Defizit muss mit einer Steigerung der öffentlichen Zuwendungen von über 0,88 Prozent ausgeglichen werden. Die Zuwendungen sind insgesamt dauerhaft zu erhöhen, denn Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung erfordert eine verlässliche Grundfinanzierung, die soziale Offenheit, wissenschaftliche Pluralität, Diskurs und gesellschaftliche Verantwortung begünstigt.

Anlässlich der anstehenden Verhandlungen über den Haushalt 2019/20 und einer neuen Hochschulvereinbarung formuliert die Uni Hamburg folgende Positionen zu den exemplarischen Auseinandersetzungsfeldern Bauen, Studienplätze und Arbeitsbedingungen:

Bau‐ und Sanierungsstau auflösen!

Bildung und Wissenschaft zum Allgemeinwohl brauchen Gebäude, die von Funktionalität, Flexibilität und Geschichtsbewusstsein geprägt sind. Die Universitätsgebäude in Hamburg wie bundesweit sind enorm sanierungs‐ und ausbaubedürftig. Nach den Daten des DZHW (HIW) hätten zwischen 2008 und 2012 im Bundesgebiet 38 Prozent und in Hamburg sogar 62 Prozent höhere Investitionen zur Instandhaltung und Modernisierung von Universitätsgebäuden ausgegeben werden müssen. Die bundesweite Finanzierungs‐lücke bis zum Jahr 2025 wird seitens der Kultusministerkonferenz auf 35 Milliarden Euro beziffert.

Die Politik mit der Schuldenbremse hat zur Folge, dass zur Kreditaufnahme für größere Sanierungs‐ oder Bauvorhaben der Besitz der Uni‐Gebäude an die städtische Tochtergesellschaft Sprinkenhof GmbH übergeht, die die Gebäude wiederum an die UHH zurück vermietet (Vermieter‐Mieter‐Modell). Dem entgegen bedarf es aber für eine gute, nach wissenschaftsorientierten Kriterien überlegte und demokratische Bau‐ und Sanierungsplanung einer größeren Souveränität der Hochschulen sowie höhere Finanzmittel.

Ausreichend Studienplätze mit guter finanzieller Unterlegung bereitstellen!

Es fehlen zur Deckung des gesellschaftlichen Bedarfs enorm Studienplätze. So ist z. B. in der Medizin die Zahl der Studieninteressierten fünfmal so hoch, wie die Zahl der Studienplätze, während gleichzeitig die Fachverbände einen steigenden Ärztemangel konstatieren müssen.

Dieser Mangel ist ein Einschnitt in die Grundrechte aller Bürger*innen, denn das Grundgesetz sieht die freie Wahl der Ausbildungsstätte und des Berufs für alle vor. Der Numerus Clausus ist ein Produkt der Mangelverwaltung. Er hat sich zu einem scharfen Selektionsinstrument zur Behinderung von Bildung, Engagement und kultivierten sozialen Beziehungen entwickelt – im Bachelor und im Master. Das Bachelor‐Master‐System sollte auf den gestiegenen Bedarf ohne Mittelerhöhung reagieren, in dem das Studium für die Masse verkürzt (Bachelor) und nur für einen kleineren Teil nur weitergeführt werden kann (Master). Damit ging auch eine schädliche tiefere Trennung von Forschung und Studium einher.

Zur Realisierung des grundgesetzlichen Auftrags braucht die Uni höhere Mittel zur Bereitstellung von Studienplätzen im Bachelor und Master mit Masterplatzgarantie.

Gute Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft ermöglichen!

Mit der Verschiebung der Finanzierungstruktur im Sinne einer relativ und real sinkenden Grundfinanzierung respektive mit dem steigenden Anteil temporärer Mittel am Gesamtetat der UHH werden die verlässlichen beruflichen Perspektiven an der Universität gefährdet. Für die Wissenschaftler*innen ist die zunehmende Orientierung an einer „Marktlogik“ in Bezug auf die Steuerung der Universität (z.B. über Produktkennzahlen und Erfolgsindikatoren) problembehaftet für die Entfaltung motivierten wissenschaftlichen Handelns. Nach Daten des Bundesberichts Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017 sind 93 Prozent der Wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen bundesweit befristet beschäftigt, davon 53 % mit einer Befristung von einem Jahr.

Dieser Umstand schränkt kritisches Hinterfragen und innovative Wege in der Wissenschaft in allgemein schädigender Weise ein.

Dagegen müssen gute Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft ermöglicht werden. Daueraufgaben benötigen Dauermittel und Dauerstellen. Gegen die „Quantifizierung von Wissenschaft“ hilft die Wiederbelebung einer Debattenkultur innerhalb sowie außerhalb der Universität. Das erfordert erheblich bessere Finanzierung, inneruniversitäre Demokratie und wissenschaftliche Interdisziplinarität.

Handlungsableitungen 

Der Akademische Senat bittet das Präsidium, sich mit dieser Positionierung in der LHK über eine gemeinsame Orientierung der Hamburgischen Hochschulen in den Haushaltsverhandlungen zu verständigen. Das Präsidium möge außerdem ‐ am besten mit den anderen Hochschulen ‐ dem Haushaltsausschuss und dem Ausschuss für Wissenschaft und Gleichstellung der Bürgerschaft den Wunsch mitteilen, in Hinblick auf die Haushaltsaufstellung mit den Abgeordneten die Finanzierungssituation und ‐erfordernisse der Hamburgischen Hochschulen im Rahmen einer Ausschusssitzung zu diskutieren. Eine solche Sitzung könnte auch in der Universität stattfinden.

Der Akademische Senat setzt eine Arbeitsgruppe ein, die auf Grundlage der Arbeitsergebnisse des Dies Academicus und dieser Resolution Maßnahmen evaluiert, um die öffentliche Aufmerksamkeit für die Belange der Hochschulen im Zusammenhang mit den Haushaltsverhandlungen zu erhöhen. Der Akademische Senat bittet das Präsidium, in diesem Prozess unterstützend mitzuwirken.


Veröffentlicht durch:
Svenja Horn, Hesam Josvebayat, Meike Schickhoff, Golnar Sepehrnia, Olaf Walther (Studentische Mitglieder des Akademischen Senats), Franziska Hildebrandt, Till Petersen (Studentische Mitglieder der AG zur Organisation des Dies Academicus).

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