Warum Schuldenbremse streichen?

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat als Welthafenstadt eine ihr durch Geschichte und Lage zugewiesene, besondere Aufgabe gegenüber dem deutschen Volke zu erfüllen. Sie will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein.

Durch Förderung und Lenkung befähigt sie ihre Wirtschaft zur Erfüllung dieser Aufgaben und zur Deckung des wirtschaftlichen Bedarfs aller.[…]

Um die politische, soziale und wirtschaftliche Gleichberechtigung zu verwirklichen, verbindet sich die politische Demokratie mit den Ideen der wirtschaftlichen Demokratie.

Präambel der Hamburgischen Landesverfassung

 

Es gibt viele Gründe für die Beendigung der Schuldenbremsen-Politik

Sie ist notwendig, weil:

  • Erst ohne die Schuldenbremse dringend benötigte, massive Investitionen in den bedarfsgerechten Ausbau und die Sanierung der öffentlichen Infrastruktur, in eine nachhaltig gelingende Energiewende und ein soziales, integriertes und nachhaltiges Verkehrskonzept, in sozial verträglichen, komfortablen Wohnraum für Alle und die bedarfsdeckend öffentliche Finanzierung von Bildungs-, Kultur- und Gesundheitseinrichtungen, bessere Arbeitsbedingungen, Lohnsteigerungen und mehr Personal im gesamten öffentlichen Bereich sowie soziale Mindestsicherungssysteme ohne entwürdigende Restriktionen möglich sind
  • Die Schuldenbremse mit dem Primat der Kreditrückzahlung, also der Bankenbedienung, über alle anderen staatlichen Aufgaben eine bestimmte – noch dazu fehlgeleitete – Wirtschaftspolitik aufzwingt, die im Widerspruch zu allen Verfassungsrechtlichen Grundlagen unseres Gemeinwesens steht (s. Präambel der Hamburgischen Landesverfassung)
  • Die volkswirtschaftlichen Annahmen hinter der Schuldenbremse – ab einem bestimmten Maß von Staatsverschuldung kollabiere das Wirtschaftswachstum – völlig irrsinnig und wissenschaftlich längst widerlegt sind. Vielmehr ist zutreffend, dass (erst Recht in Zeiten wirtschaftlicher Krisen) die staatliche Investitionstätigkeit in sinnvolle öffentliche Aufgaben und die Mehrung der Massenkaufkraft von unterer und Mittelschicht der entscheidende Faktor zur Belebung der gesamtwirtschaftlichen Konjunktur sind. Investitionen rechnen sich unendlich viel mehr, als das bornierte Kaputtsparen des sozialen Gemeinwesens. Mehr zur volkswirtschaftlichen Widerlegung des Mythos „Schuldenbremse“ hier: FAQ der Pluralen Ökonomen.
  • Die Schuldenbremse eine falsche und gefährliche Umdrehung der Krisenursachen bedeutet: die deregulierte Finanzwirtschaft verursachte die aktuelle Krise, wird aber durch die Schuldenbremse weiter unangetastet gelassen. Die sozialen Ansprüche der Bevölkerung zu verwirklichen ist der Ausweg aus der Krise. Das wird jedoch mit der Schuldenbremse als gesellschaftlich verantwortungslos gebrandmarkt. Diese Bescheidenheit verordnen sollende Schuldzuweisung muss beendet werden.
  • Die Entdemokratisierung und Entrechtung der Parlamente, souverän über haushaltspolitische Prioritäten zu entscheiden, die ohnehin gefährliche Politikverdrossenheit schürt und Wasser auf die Mühlen der hetzerischen, demokratiefeindlichen Rechten ist
  • Die Schuldenbremse als Teil der deutschen Austeritätsdogmatik verheerende soziale Zerstörungen in allen anderen europäischen Ländern anrichtet und einer sozialen, solidarischen und friedensfördernden Neukonstituierung der Europäischen Union im Sinne der Menschen entgegensteht
  • Wir, die 99%, die Schöpfer des gesellschaftlichen Reichtums sind – nicht die Manager irgendwelcher Konzernchefetagen, noch technokratische Polit-Experten – und endlich in die Lage gelangen müssen, demokratisch, kooperativ und planvoll über unsere gemeinsamen Lebensbedingungen entscheidend bestimmen zu können
  • Viel mehr an gesamtgesellschaftlich wie persönlich erfreulicher Entwicklung für Alle möglich ist, als uns immer suggeriert werden soll. Das Geld ist nicht knapp, sondern ungerecht verteilt. Der geschaffene gesellschaftliche Reichtum reicht längst aus, um Allen ein gelingendes Leben zu ermöglichen. Das „Ende der Geschichte“ soll endlich ein Ende haben.

 

Die Liste wird fortgesetzt. Wir nehmen weitere Gründe gern entgegen.

 

Gilt denn, wenn die Schuldenbremse in Hamburg nicht mehr in der Verfassung steht, nicht weiter das Grundgesetz?

Ja, die Schuldenbremse ist so perfide konstruiert, dass die Länder allein keine Handhabe darüber haben, sie für sich nicht anzuwenden. Jedoch darf die Wirkung eines erfolgreichen Volksentscheids zur Streichung der Schuldenbremse in einem Bundesland wie Hamburg darauf, dass sie im gesamten Bundesgebiet abgeschafft und auch aus dem Grundgesetz wieder gestrichen wird, nicht unterschätzt werden. Ein solches positives Beispiel findet sofort Nachahmer in allen möglichen anderen Bundesländern und die Bundesrepublik steht ohnehin unter massiver internationaler Kritik für ihr rigides Festklammern an der Schuldenbremse. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass Hamburg mit dem Volksentscheid einen Dammbruch für die internationale Abkehr von dieser Politik schaffen kann. Wir tun mit unserer Gesamt-Kampagnen-Tätigkeit auch unser Übriges dazu, diese Dynamik im Bundesgebiet und international weiter anzufachen.

Hat es Nachteile, wenn die Schuldenbremse nicht mehr in der Hamburger Verfassung steht?

Nein. Der Senat meint, wenn sie dort nicht mehr stünde, hätte Hamburg auch nicht mehr die bisherigen Ausnahmeregelungen zur Verfügung, die unter bestimmten Maßgaben erlauben, von der rigiden Grundgesetzregelung abzuweichen. Diese Ausnahmeregelungen sind aber mitnichten einfach weg, wenn die Schuldenbremse aus der Hamburger Verfassung gestrichen wird. Solange die Grundgesetz-Regelung zur Schuldenbremse noch in Kraft sein sollte, kann Hamburg diese Ausnahmen auch in einem nachgeordneten Gesetz (der sog. Landeshaushaltsordnung) für sich regeln. Die Ausnahmen könnten dabei sogar noch ausgedehnter ermöglicht werden als bisher. Nordrhein-Westfalen zum Beispiel hat sich genau deshalb auch gegen eine Einführung der Schuldenbremse in seine Landesverfassung bislang verwehrt.