Wofür steht „Austerität“? Worauf zielt diese Kampagne?
Unter Austeritätspolitik ist ein System politischer Entscheidungen und Regularien zu verstehen, die das politische Handeln des Staates einer einzigen Priorität unterordnen: dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts (der berüchtigten „Schwarzen Null“). Dafür soll der Staat zuallererst Schulden abbauen, also alle Einnahmen zuerst zur Rückzahlung von Krediten verwenden (sprich: die Banken bedienen), keine neuen Schulden machen (also Investitionen drosseln) und die Ausgaben auf dem vorhandenen Niveau möglichst einfrieren oder kürzen (also Sozialstaatsleistungen einschrumpfen) – und das alles unter Androhung drakonischster Strafen bei Verstoß. Austerität (vom griechischen austerótes = Strenge, Entbehrung) ist also eine – nicht offen als solche gekennzeichnete – gesellschaftspolitische Programmatik: Es geht um die Strangulierung jeglicher Allgemeinwohlentwicklung und den Zwang zur Privatisierung unter Behauptung der totalen Alternativlosigkeit. Sie ist in gewisser Hinsicht der letzte Rettungshalm neoliberaler Politik und insofern ihre materiell-ideologische Verdichtung.
Wie wird die Austeritätspolitik konkret durchgesetzt?
Auf europäischer Ebene wesentlich durch den Euro-Stabilitätspakt (1999) und den Vertrag von Lissabon (2009) – gewissermaßen die „Verfassung“ der EU. Mit diesen Verträgen wird jedem EU-Mitgliedsland (bzw. Mitglied des Euro-Raums) im Rahmen eines sogenannten Defizitverfahrens mit Sanktionen bis hin zum Entzug der nationalen Souveränität gedroht, wenn es die sogenannten Maastricht-Kriterien nicht erfüllt. Diese besagen, dass der Schuldenstand eines Landes nicht über 60% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anwachsen und seine jährliche Neuverschuldung 3% des BIP nicht übersteigen dürfe.
Auf bundesdeutscher Ebene wurde 2009 von CDU, SPD, FDP und Grünen ein Zusatzartikel (§109 Abs. (3)) ins Grundgesetz gestimmt – die sogenannte Schuldenbremse. Damit wurde von 2016 an jede jährliche Nettokreditaufnahme von mehr als 0,35% des BIP für verfassungswidrig erklärt. Die Nettokreditaufnahme oder auch Nettoneuverschuldungsquote bezeichnet das Mehr an neu aufzunehmenden Krediten gegenüber der Summe von Rückzahlungen alter Kredite innerhalb eines Jahres. Die 0,35% des BIP entsprechen aktuell ca. 12 Milliarden Euro bei einem Bundeshaushaltsvolumen von ca. 350 Milliarden Euro pro Jahr (2019). Hierin verbirgt sich also der Zwang zur unmittelbaren Schuldenrückzahlung. Den Bundesländern wurde von 2020 an jegliche Nettokreditaufnahme verboten.
In Hamburg wurde dieses Verbot 2012 von einer Bürgerschaftsmehrheit auch noch in die Landesverfassung geschrieben (§§ 72 und 72a). Es soll so bereits ab 2019 gelten. Zusätzlich verpflichtet dieser Artikel noch alle Hamburgischen Haushaltspläne zu einer starren „Defizit-Reduzierung“ hin auf 2019. So dürfen die Budgets sämtlicher Einrichtungen jährlich nicht mehr als 0,88% wachsen. Dies kommt bei Inflation und Tarifsteigerungen um ca. 2,5% pro Jahr einer langsamen Erdrosselung der öffentlichen Infrastruktur gleich.
Wir sagen: Schluss mit dieser Zerstörung!
Mit der Kampagne „International solidarisch: Schluss mit Austerität“ kämpfen wir für ein besseres Leben: für einen Volksentscheid zur Streichung der Schuldenbremse aus der Hamburgischen Verfassung, für eine Wiederherstellung des Grundgesetzes in seinem tatsächlichen, antifaschistischen Sinn und für die Streichung der Maastricht-Kriterien, also für ein sozial gedeihendes und solidarisches Europa, das allen Menschen dieser Welt die Hand reicht.
„Der Wohlstand eines Landes beruht auf seiner aktiven und passiven Handelsbilanz, auf seinen innern und äußern Anleihen sowie auf dem Unterschied zwischen dem Giro des Wechselagios und dem Zinsfuß der Lombardkredite; bei Regenwetter ist das umgekehrt.“
(Kurt Tucholsky, „Kurzer Abriß der Nationalökonomie”, 1931)