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Filmseminar: Der Übergang

13. September 2023 @ 20:00 - 23:30

(Spielfilm | Regie: Orlando Lübbert | CHL/DDR 1978 | 78 Min. | deu)

Beginn bereits ab 20 Uhr


Wenn „Freiheit“ – losgelöst von (sozialer) Gleichheit und Solidarität – zum höchsten aller Werte erklärt werden soll, bedeutet das für die übergroße Mehrzahl der Bevölkerung selten Gutes. Schon vor 50 Jahren offenbarte der Beginn des neoliberalen Zeitalters, dem die Menschheit ihre akut tiefgreifende Entwicklungskrise verdankt, den unverkennbar unterdrückerisch-gewaltsamen Charakter dieser sog. Freiheit.

Am 11. September 1973 putschten chilenische Militärs unter General Pinochet mit Unterstützung westlicher Geheimdienste und Regierungen (allen voran der USA) gegen die drei Jahre zuvor demokratisch gewählte sozialistische Regierung der Unidad Popular und ihren Präsidenten Salvador Allende. Die Putschisten bombardierten den Präsidentenpalast, ließen Tausende Unterstützer:innen der linken Regierung (Arbeiter:innen, Bauern, Studierende, Intellektuelle und Künstler:innen) inhaftieren, verfolgen, foltern und ermorden und errichteten ein diktatorisches Terrorregime unter wirtschaftsliberalen Vorzeichen.

Die Regierungszeit der Unidad Popular war vom genauen Gegenteil bestimmt. Die werktätige Bevölkerung Chiles unternahm mit ihr nicht nur den ersten Versuch überhaupt, eine sozialistische Gesellschaft auf demokratischen Grundlagen hervorzubringen. Ihr gelang es zudem, sich durch weitreichende Reformen (u.a. Sozialisierung der Bodenschätze und Schlüsselindustrien, kostenlose Bildung, Gesundheit und Versorgung mit Grundnahrungsmitteln für Alle, Überwindung des Stadt-Land-Gefälles und massive Ausweitung der sozialen Mitbestimmungsrechte) aus kolonialer Abhängigkeit, Unterentwicklung und Elend zu befreien und ihre jahrhundertelang mit Füßen getretene Souveränität und Würde wiederzuerlangen. Das chilenische Beispiel war dazu angetan, weltweit Schule zu machen. Aus seiner vorläufigen Niederschlagung zu lernen ist von elementarer Bedeutung für die heutige Perspektive einer menschlicheren Welt.

Die ersten Ansätze dafür lieferte der fünf Jahre nach dem Putsch entstandene Film „Der Übergang“ von Orlando Lübbert – einem Filmemacher und Weggefährten Allendes, der vor der Verfolgung der Militärs in die damalige DDR geflohen war.

Er erzählt beinahe kammerspielartig die fiktive Geschichte dreier Anhänger der Unidad Popular – des Textilarbeiters Carlos, des Studenten Juan und des Abgeordneten Lorenzo – die auf der Flucht vor den Putschisten in den Bergen Chiles zufällig aufeinandertreffen und gemeinsam versuchen, über die Grenze nach Argentinien zu gelangen, um dort Asyl zu beantragen. Ihr gefährlicher und entbehrungsreicher Weg ist dabei zugleich als Parabel auf die Entwicklung des sozialistischen Versuchs in Chile insgesamt zu lesen. Er lässt die drei Verschworenen – stellvertretend für die in der Unidad Popular vereinten, progressiven Weltanschauungsakzente (sozial-revolutionär, sozial-evolutionär und radikal-demokratisch) – in einfachen Bildern und unaufgeregten Worten Bilanz ziehen und reflektieren: über gemachte Fehler, enttäuschte Hoffnungen und neu aufbrechende, alte Wunden, ebenso wie auch über die Legitimität ihres eingeschlagenen Weges, ihr Verhältnis zur politisch weniger interessierten Bevölkerung, über das Wesen der Solidarität und die Sinnhaftigkeit eines neuen Versuchs sowie die dafür notwendige Strategie im Verhältnis zur allgegenwärtigen Reaktion.

Über mehrere Schlüsselszenen und –begegnungen entwickelt sich in diesem Ringen eine neue Überzeugtheit von der Verallgemeinerbarkeit der einst besiegt geglaubten, humanistischen Ideale, die es ihnen ermöglicht, der zunächst übermächtig erschienenen Barbarei die Stirn zu bieten.

Der Film ist so zugleich ein eindrucksvolles und äußerst lehrreiches Dokument dafür, wie es persönlich, assoziiert und gattungsgeschichtlich gelingen kann, aus dem proklamierten „Ende der Geschichte“ in die Etappe der bewussten, kollektiven Gestaltung einer global menschenwürdigen Zivilisationsentwicklung einzutreten. Die stetige Arbeit, in diesem Sinne klüger zu werden, schafft handlungsleitende Einsicht, Aussicht und Zuversicht.

Darum: Brot, Frieden, Würde – jetzt! International solidarisch: Schluss mit Austerität.

 „Auch Krankheiten und sogar Kriege veranlassen mich zum Nachdenken darüber, was für Fehler ich gemacht haben kann.“
Bertolt Brecht, „Me-Ti. Buch der Wendungen“, entstanden im Exil der 1930er Jahre.

Den Flyer findet ihr hier auch als pdf.

Details

Datum:
13. September 2023
Zeit:
20:00 - 23:30
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