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Filmseminar: Der lange Atem

März 20 @ 20:00 - 23:30

(Doku | Regie: Christoph Boekel | BRD 1983 | 107 Min. | deu)


Schon jede Aufrüstung beginnt mit einer Lüge. Denn wie vom Krieg profitieren von ihr nur die Wenigsten. Die Milliardenkredite zur „Ertüchtigung“ der Bundeswehr oder gar eine nuklear bewaffnete EU-Armee sichern weder „Freiheit“, noch Wohlstand oder gar die Demokratie, sondern lediglich die Profitmargen der Rüstungsindustrie. Marschflugkörper für die Ukraine sanieren keine Schulen, bauen weder Bahn-Netz noch ÖPNV aus, schaffen keinen sozialen Wohnungsbau, bewirken keine Humanisierung des Gesundheitswesens, bekämpfen erst recht nicht den Klimawandel und lösen auch sonst kein gesellschaftliches Problem.

Dennoch wird vor allem jenen Friedensengagierten, die diese Zusammenhänge problematisieren und für eine zivile, soziale und humane Entwicklung der Gesellschaft eintreten, medial unterstellt, sie gefährdeten „die Demokratie“. Höchste Zeit also, die historischen Fundamente dieser Demokratie, der damit verbundenen Friedensbewegung sowie der Kräfte zur (Re-)Militarisierung der Bundesrepublik neu zu Bewusstsein zu bringen.

Genau das tut der Dokumentarfilm „Der lange Atem“ von Christoph Boekel.

1983 entstanden zeichnet der Film anhand historischer Dokumente und des Porträts von Oskar Neumann (kommunistischer Widerstandskämpfer gegen die Nazi-Diktatur und Mitinitiator des „Hauptausschusses Volksbefragung“) nach, welche kriminelle Energie die Regierung Adenauer und ihre US-Unterstützer aufbringen mussten, um eine Wiederbewaffnung Deutschlands durchzusetzen.

Das wache Bewusstsein über die immensen Verheerungen des vorangegangenen Krieges und das 1949 verabschiedete Grundgesetz, das nicht nur die Vorbereitung eines Angriffskriegs unter Strafe stellte sondern auch den Wiederaufbau einer deutschen Armee und Rüstungsproduktion untersagte, veranlassten den Kanzlerkandidaten Adenauer (CDU) bis 1950 öffentlich noch vehement das NEIN zu allen Wiederbewaffnungsplänen zu beschwören, um gewählt zu werden. In geheimen Zirkeln jenseits von Kabinett, Parlament und Öffentlichkeit betrieb er jedoch längst genau das Geleugnete. In enger Abstimmung mit US-Geheimdiensten und unter tätiger Mithilfe klandestin rehabilitierter, ehemaliger Wehrmachtsgeneräle und Nazi-Kriegsverbrecher sollte die BRD unter dem Deckmantel einer „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft“ zu einem militärischen Vorposten gegen „den Bolschewismus“ aufgerüstet werden. Je mehr von diesen offenkundig verfassungswidrigen Plänen ruchbar wurde, desto entschiedener regte sich der zivilgesellschaftliche Widerstand. Vielfältige Kräfte – darunter Kommunisten, Sozialdemokraten und bürgerliche Demokraten (wie Gustav Heinemann) sowie Gewerkschaften, Jugend- und Kirchenverbände (u.a. um Pastor Niemöller) – versammelten sich 1951 unter dem Essener Manifest gegen die Remilitarisierung und forderten eine Volksabstimmung – das einzig denkbare, rechtmäßige Mittel zur Entscheidung über diese Frage.

Trotz Verbot und härtester Repression seitens der Regierung, die zur Verfolgung der Aufrüstungsgegner auch nicht davor zurückschreckte, neue Straftatbestände nach alter NS-Gesinnungsjustiz wieder einzuführen, gelang es den Initiatoren mit tatkräftiger Unterstützung der Bevölkerung dennoch, die Volksbefragung mit eigenen Mitteln durchzuführen. Von insgesamt 9 Millionen Beteiligten stimmten 94% gegen die Wiederbewaffnung. Die bloßgestellte Regierung hielt dies nicht davon ab, mit den Pariser Verträgen 1955 den Aufbau der Bundeswehr und den Beitritt Westdeutschlands zur NATO zu besiegeln. Der Mythos der Vereinbarkeit von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und antifaschistischer Konsequenz einerseits mit militärischer Aufrüstung andererseits ist seither jedoch gründlich widerlegt.

Zudem schuf die eindrucksvolle Initiative die Grundlagen für die Ostermarsch-Bewegung, den sozial-progressiven Aufbruch von 1968 sowie die massive Friedensbewegung der 1980er-Jahre, der es gelang, ein systemübergreifendes Abrüstungsregime durchzusetzen, das geradezu ein Lehrstück für die heute dringend erforderliche Perspektive einer Weltfriedensordnung bildet. So zeigt der Film beispielgebend: Wer aus der Geschichte lernt, kann heute für eine bessere Zukunft wirken. Allem Säbelrasseln zum Trotz: der Frieden ist der Ernstfall.

Brot, Frieden, Würde – jetzt! International solidarisch: Schluss mit Austerität.

„Und dafür, nein, dafür haben die Toten ihr Blut nicht in den Schnee laufen lassen, in den naßkalten Schnee ihr lebendiges mütterliches Blut: Daß dieselben Studienräte ihre Kinder nun benäseln, die schon die Väter so brav für den Krieg präparierten. (Zwischen Langemarck und Stalingrad lag nur eine Mathematikstunde.) Nein, Mütter, dafür starbt ihr nicht in jedem Krieg zehntausendmal!“
Wolfgang Borchert, „Das ist unser Manifest“, 1947.

Den Flyer findet ihr hier als [pdf] zum download.

Details

Datum:
März 20
Zeit:
20:00 - 23:30
Veranstaltungskategorie:

Veranstaltungsort

Philturm
Von-Melle-Park 6
Hamburg, Hamburg 20146 Deutschland
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