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Filmseminar: Deadly Dust – Todesstaub
3. August 2022 @ 21:00 - 23:30
(Doku | Regie: F. Wagner | D 2007 | 92 Min. | deu)
Kriegsverbrechen begehen immer nur die Anderen. Die NATO und der sog. „Westen“ verteidigen stets Wohlstand, Demokratie und Freiheit und sind daher per definitionem die Unschuld in Person. So tönt es hierzulande im Konfrontationsfall immer wieder recht schlicht aus den regierungsamtlichen Verlautbarungsorganen. Die Wahrheit sieht meist etwas anders aus und braucht mitunter einige Nachhilfe, um das Licht der Öffentlichkeit zu erblicken.
Ein besonders bemerkenswertes Beispiel hierfür ist mit dem Film „Deadly Dust“ dokumentiert. Er begleitet ein Team internationaler Wissenschaftler:innen um den Arzt und Friedensaktivisten Prof. Siegwart-Horst Günther bei dessen Nachforschungen über den Einsatz von Uran-Munition während der NATO-Kriege im Irak 1991 und 2003 und im ehemaligen Jugoslawien 1995 und 1999.
Günther (1925 geboren) gehörte zur Widerstandsgruppe der Hitler-Attentäter um Graf von Stauffenberg, überlebte die Haft im KZ Buchenwald, studierte in der DDR Humanmedizin, Philosophie und Ägyptologie, arbeitete als Tropenmediziner in der Klinik Albert Schweitzers in Lambaréné (Gabun) und lehrte später u.a. als Professor an der Universitätsklinik in Bagdad. Als er nach Ende des ersten Golfkriegs 1991 Kinder im südirakischen Basra untersuchte, stellte er gehäufte Fälle von Leukämie und Fehlbildungen fest, die jenen nach der Tschernobyl-Katastrophe glichen und äußerte daraufhin als erster den Verdacht, bei der Panzerschlacht um Basra sei von NATO-Truppen radioaktive DU-Munition zum Einsatz gebracht worden.
Mit Hilfe von kanadischen, US-amerikanischen und deutschen Kolleg:innen gelang ihm anhand von Befragungen, Feldproben und Laboruntersuchungen nicht nur der Beweis, dass britische und US-Militärs wissentlich und willentlich mit dem Einsatz der mit abgereichertem Uran versehenen, panzerbrechenden Munition gegen die Genfer Kriegswaffenkonvention verstoßen haben, sondern dass diese auch für das sog. Golfkriegs-Syndrom bei zahllosen Kriegsheimkehrern verantwortlich ist, dass sie im Irak, in Bosnien, im Kosovo und in Serbien auch in Wohngebieten zum Einsatz kam und dass sie aufgrund der Kontamination von Böden, Grundwasser und Wüstenstaub Folgeschäden weit über die Einsatzregion und den Einsatzzeitraum hinaus verursacht.
Obwohl die Widerstände, die den forschenden Wissenschaftler:innen entgegengebracht wurden – von Verleumdungen bis Morddrohungen – bereits Bände sprechen, leugnen die kriegführenden NATO-Staaten bis heute die gesundheitlichen Folgen der DU-Munition. Ein wesentlicher Grund dürfte neben den immensen Entschädigungsforderungen infolge der Verseuchung ganzer Landstriche der Umstand sein, dass das Verschießen von Uran238 zugleich die kostengünstigste Form darstellt, dieses bei der Herstellung von Brennstäben für die Kernenergie entstehende Abfallprodukt mit einer Halbwertszeit von 4,5 Milliarden Jahren zu „entsorgen“.
Wegen der hier minutiös dokumentierten Kriegsverbrechen hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag nie ermittelt. Die USA erkennen dessen Statut bis heute nicht an.
Der Film zeigt jedoch eindrucksvoll auf, was demzufolge die vordringlichste Aufgabe von Wissenschaft, Zivilgesellschaft und aufgeklärter Öffentlichkeit heute ist und sein sollte: Statt neuen Kriegen das Wort zu reden, sind alle erdenklichen Mittel darauf zu verwenden, die aus vergangenen Kriegen entstandenen Schäden zu heilen. Diese Aufgabe ist groß genug.
Sie erfordert unter Umständen ein wenig mehr Geschichtsbewusstsein, humanes Ethos, Klugheit, Courage und kooperative Konfliktfreude als allgemein für statthaft gehalten werden mag. Es ist aber nach Maßgabe einer menschenwürdigen Zivilisationsentwicklung die einzig sinnvolle, übergreifende Lebenstätigkeit. Persönlich, beispielgebend, verallgemeinerbar. Von der Mehrzahl, durch die Mehrzahl, für die Mehrzahl. Die Menschheit hat den Frieden mehr als verdient.
Auch deshalb: International solidarisch – Schluss mit Austerität!
„Unsere Waffen seien Waffen des Geistes, nicht Panzer und Geschosse.[…] Ein Zehntel der Energien, die die kriegführenden Nationen im Weltkrieg verbraucht, ein Bruchteil des Geldes, das sie mit Handgranaten und Giftgasen verpulvert haben, wäre hinreichend, um den Menschen aller Länder zu einem menschenwürdigen Leben zu verhelfen sowie die Katastrophe der Arbeitslosigkeit in der Welt zu verhindern.“
Albert Einstein, „Für einen militanten Pazifismus“, 1932.