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Filmseminar: Das Mädchen Rosemarie

20. Juli 2022 @ 21:00 - 23:30

 (Spielfilm | Regie: R. Thiele/E. Kuby | BRD 1958 | 101 Min. | deu)


Wenn Deutschland wieder kriegstauglich gerüstet werden soll, dann wird hierzulande besonders viel getäuscht, geheuchelt, gelogen, geschachert, gehetzt und – im Zweifelsfall – gemordet. Das hat viel zu tun mit zwei von deutschem Boden ausgegangenen Weltkriegen und den damit verbundenen Erfahrungen und Schlussfolgerungen, die in Gesetzen, Institutionen und öffentlichem Bewusstsein ein unbedingtes Friedensgebot tief verankert haben, das von interessierten Kreisen revidiert werden muss, wenn die Geschäfte nach globaler Expansion jaulen. Das geht – bei allen Unterschieden – heute nach demselben Muster vonstatten wie vor 1914, nach 1918 und nach 1945 und ist selten so trefflich anschaulich gemacht und kritisiert worden wie in der Wirtschaftswunder-Satire „Das Mädchen Rosemarie“.

Erst 1955 wurde auf Betreiben der US-Administration und der Regierung Adenauer (CDU) gegen massive Proteste der westdeutschen Bevölkerung und der organisierten Friedens- und Arbeiter:innenbewegung das Grundgesetz so geändert, dass es der BRD überhaupt wieder erlaubt war, militärische Strukturen zu unterhalten. Dem NATO-Beitritt folgte 1956 die Gründung und Wiederbewaffnung der Bundeswehr (unter tätiger Mithilfe hochdekorierter Altnazis). Insbesondere der nach Alliierten-Statuten untersagte Wiederaufbau einer bundesdeutschen Rüstungsproduktion stieß bei den europäischen Nachbarn auf ausgeprägten Widerwillen.

So kommt es, dass die zu diesem Zwecke organisierten Wirtschaftskapitäne aus Stahl-, Chemie- und Elektroindustrie ihre Beratungen im Frankfurter „Palast“-Hotel unter dem Namen „Isoliermattenkartell“ abhalten, wobei sie im Rahmen ihrer allabendlichen Lustbarkeiten Bekanntschaft mit Rosemarie Nitribitt machen – einem „Freudenmädchen“ aus einfachen Verhältnissen, das entschlossen ist, mit allen Mitteln in die „feine Gesellschaft“ aufzusteigen. Dabei begegnet sie dem charmanten Fribert, einem französischen Wirtschaftsspion, der sich die Dienste Rosemaries zu Nutze machen will, um den Machenschaften der deutschen Großindustriellen auf die Schliche zu kommen. Zu diesem Zwecke bringt Rosemarie ihren einflussreichen Herrenbesuch zum Reden und zeichnet alles per Tonbandgerät auf. Als sie, ihre Stellung überschätzend, jedoch damit droht, das brisante Material zu eigenen Vorteilszwecken einzusetzen, wird sie kurzerhand in ihrer Wohnung ermordet und die Routine im „Palast“-Hotel geht wieder ihren unscheinbaren Gang.

Das geneigte Publikum ist unterdes allerdings nicht nur um eine schon aufgrund des herausragenden Schauspielensembles, der grandiosen musikalischen Untermalung und der erzählerischen Dichte besondere filmische Erfahrung bereichert, sondern hat zugleich einen tiefen Einblick gewonnen in das dekadente Wesen hinter den gutbürgerlichen Anstands- und Wohlstandsfassaden der sogenannten „Eliten der Nation“.

Hier sind sie vorgeführt, die vielbeschworenen „westlichen Werte“, ihre Prediger und Profiteure. Hier werden sie typisch-exemplarisch zur Kenntlichkeit entstellt. Die Verrohung nach Außen korrespondiert mit einem Verfall im Innern. Da blättert alle moralische Tünche.

Diese mit dem Film aufklärerisch-formvollendet bezeugte Respektlosigkeit gegenüber dem Treiben der Herrschenden ist ein unverzichtbarer Beitrag zur Friedensstiftung, denn sie vermittelt all jenen, die von Aufrüstung und Krieg nicht profitieren, das nötige Selbstbewusstsein, aus der Geschichte die richtigen Lehren zu ziehen und die Gesellschaft im Einklang mit dem Interesse der überwiegenden Mehrzahl gemeinsam menschenwürdig zu gestalten.

Eine Zeitenwende demokratischer Partizipation, sozialer Progression und kultureller Emanzipation steht auf der globalen, gesellschaftlichen Tagesordnung. Verzicht ist nicht. Kritisch-anspruchsvolles Gelächter umso mehr.

Insofern: International solidarisch – Schluss mit Austerität!

„Wir haben‘s geschafft, aus eigener Kraft,
und finden uns selber famos, einfach toll.
Und links noch kaputt, und rechts noch kaputt,
und liegt auch noch manche Bombe im Schutt,
Wir ham‘ den Kanal, wir ham‘ den Kanal,
wir ham‘ den Kanal noch nicht voll.“
Jo Herbst/Mario Adorf, Bänkelgesang im Film auf die Melodie des „Königgrätzer Marschs“, 1958.

Hier findest du den Flyer auch als pdf.

 

Details

Datum:
20. Juli 2022
Zeit:
21:00 - 23:30
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