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Filmseminar: Oberst Redl

18. Oktober 2023 @ 20:00 - 23:30

(Spielfilm | Regie: Istvan Szabo | HU/A/D 1985 | 144 Min. | deu)

Beginn um 20 Uhr.
Ort: Hörsaal Phil D, Von-Melle-Park 6.


Das Militärische zum vorrangigen Prinzip der gesellschaftlichen Entwicklung erheben? Die Armee aufrüsten zulasten der zivilgesellschaftlichen Institutionen? Es reicht ein Blick in die deutsche Geschichte, um zu erkennen, dass dieser aktuell regierungsamtliche Versuch der Krisenbeantwortung – zumal mit imperialistischen Vorzeichen – geradewegs auf die tiefste Katastrophe zuführt. Das liegt daran, dass die Bedingungen einer objektiv notwendig gewordenen, allseits humanen Weiterentwicklung der Gesellschaft (zivile Kooperation, soziale Progression, kulturelle Emanzipation, planvoll-demokratische Gestaltung, heute auch: ein reproduktives Mensch-Natur-Austauschverhältnis) mit kriegerischen Mitteln nicht zu schaffen sind. Im Gegenteil: die Entfesselung der Destruktivkräfte befördert den Verfall. Gerade deshalb ist aus den historischen Fehlern akut, grundlegend und immer wieder neu zu lernen.

Kaum etwas bietet dafür anschaulichere Gelegenheit als die ästhetisch-vergegenständlichte Kritik der gesellschaftlichen Zustände und Mentalitäten in der ausgehenden k.uk.-Monarchie Österreich-Ungarns, kurz bevor deren herrschende Kreise, mit tatkräftiger Befeuerung durch ihre reichsdeutschen Verbündeten, den Ersten Weltkrieg vom Zaun brachen. Dieses kritische Sittengemälde bildet den Hintergrund für die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Oberst Alfred Redl, wie sie der ungarische Regisseur István Szabó in seinem fiktiv an reale Geschehnisse und Figuren angelehnten, filmischen Meisterwerk erzählt.

Redl (gespielt von Klaus Maria Brandauer), früh entschlossen, sich aus den ärmlichen Verhältnissen seiner bäuerlich-galizischen Herkunft nach oben zu arbeiten, schafft es durch Fleiß, Strebsamkeit und untertänige Liebe zum Kaiser, der ihm schon bald die schambehaftete Vaterfigur ersetzt, in die Militärakademie aufgenommen zu werden. Ob seines stets nagend spürbar gemachten, niederen Standes ist er gehalten, sich durch besondere Strenge, Pflichtbewusstsein und Gehorsam gegenüber den Kameraden hervorzutun, um bei den höheren Instanzen Anerkennung zu finden. Auf jeder Stufe verlangt dieser Ehrgeiz einen neuen Grad an Unerbittlichkeit gegen sich selbst, aber vor allem gegen seine Nächsten. Deren ungezügelter, ausschweifender Lebenswandel fasziniert ihn im selben Maße, wie er ihn peinigend abstößt. Ihre teils defätistischen, teils offen zersetzenden Reden, Einstellungen und Handlungsweisen öffnen ihm – anders als dem kritischen Zuschauer – nicht die Augen über die Verkommenheit der Ehrfurcht gebieten sollenden Instanzen der Gesellschaft und ihrer Normen. Vielmehr liefern sie ihm den Stoff, um seine vermeintlichen Widersacher auf dem Weg an die immer verklärter angebetete Spitze ausschalten zu können. Als er es in dieser Verblendung tatsächlich zum obersten Offizier beim Generalstab, verantwortlich für militärgeheimdienstliche Aufgaben und damit zu einem persönlichen Auftrag des designierten Thronfolgers Franz Ferdinand (unvergleichlich: Armin Mueller-Stahl) geschafft hat, ist es für jede kritische Einsicht zu spät. Der Oberbefehlshaber des Heeres und nächste Kaiser in spe ist die personifizierte Spitze der skrupellos-willkürlichen Intriganz und Verderbtheit. Für seine militärischen Putsch- und kriegerischen Expansionspläne braucht er ein Bauernopfer, um die Armee von widersetzlichen Elementen bereinigen zu können. Redl begreift bis zuletzt nicht, was dem Zuschauer längst klar geworden sein muss: wer sein Schicksal an den Bestand einer zutiefst inhumanen Gesellschaftsordnung knüpft, muss mit ihr zu Grunde gehen.

Aus dieser Kritik erwachsen unweigerlich weitreichende Konsequenzen. Das Militär selbst ist die größte Verneinung menschlicher Entfaltung. Nicht umsonst sollte Deutschland nach zwei Weltkriegen grundgesetzlich verankert weder eine Armee noch eine Rüstungsproduktion haben. Nicht umsonst geht die Charta der Vereinten Nationen vom Gebot der friedlichen Konfliktlösung und universell zu verwirklichender, sozialer, kultureller und politischer Menschenrechte aus. Die Welt ist reich genug, um die gesamte Menschheit 2,5-mal ernähren zu können. Der wissenschaftlich-technische Fortschritt ermöglicht bei minimaler Wochenarbeitszeit Bildung, Kultur, Gesundheit, soziale Sicherung, komfortablen Wohnraum, nachhaltige Mobilität und gesellschaftliche Teilhabe für Alle – überall auf der Welt. Diese Potentialität zu verwirklichen ist der tatsächliche Sinn menschlichen Handelns auf Höhe der Zeit. Niemand sei Untertan.

Darum: Brot, Frieden, Würde – jetzt! International solidarisch: Schluss mit Austerität.

 „Imponiergehabe
Der Karpfen mächtig mit dem Schwanze schlägt.
Es ist aus Bange, dass er Furcht erregt.“
Peter Hacks, „Couplets“, aus: „Jetztzeit“, 1998.

Den Flyer findet ihr hier auch als [pdf].

 

Gefördert durch die Hamburger Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration

Details

Datum:
18. Oktober 2023
Zeit:
20:00 - 23:30
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