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„Salvador Allende“ Film-Seminar gegen Austerität
30. Mai 2018 @ 20:00 - 23:00
Salvador Allende
(Chile 2004, spanisch OmU, 100 min)
Der Dokumentarfilm „Salvador Allende“ (2004) von Patricio Guzmán
Patricio Guzmán, seinerzeit enger Vertrauter Salvador Allendes, des ersten, demokratisch gewählten sozialistischen Staatspräsidenten der südlichen Hemisphäre, hat ein beeindruckend aktuelles, historisches Dokument geschaffen.
Mit umfangreichem Originalfilmmaterial aus der Zeit zeigt er, wie die Kampagne der Unidad Popular, dem progressiven Bündnis aus Kommunisten, Sozialisten, Sozialdemokraten, bürgerlichen Radikaldemokraten und linken Christdemokraten, deren Wahlsieg 1970 in Chile und die folgende Regierung Allendes eine halbe Welt elektrisiert. Es gelang ihr das scheinbar Unmögliche: Allen feindseligen reaktionären Interventionen aus dem In- und Ausland zum Trotz gelang der chilenischen Bevölkerung, durch umfängliche Verstaatlichungen aller relevanten Industrien, einer grundlegenden Agrarreform gegen die Armut auf dem Land, der Garantie und Verwirklichung umfassender sozialer Rechte wie kostenloser Gesundheitsversorgung, gebührenfreier Bildung, massivem Wohnungsbau und einer kostenlosen Grundnahrungsversorgung und mittels umfänglicher demokratischer Organisierung der Arbeitenden, sich die Mittel zurückzuholen, um über ihr künftiges Schicksal selbst zu verfügen. Eine fundamentale soziale Transformation der Gesellschaft auf demokratischem Wege schien möglich und schickte sich an, Schule zu machen.
Der brutale, US-geleitete Militärputsch 1973, der den Diktator Pinochet an die Macht brachte, damit dieser eine zuvor konzipierte, neoliberale Politik in Chile zum ersten Mal durchführen konnte, entblößt nicht nur deren barbarischen, autoritären Charakter. Im Kontrast dazu verdeutlicht der Film vor allem die besondere Qualität der positiven gesellschaftlichen Entwicklung, die heute umso mehr auf der globalen Tagesordnung steht.
„Podrán cortar todas las flores, pero no podrán detener la primavera. – Sie mögen alle Blumen abschneiden können, aber den Frühling können sie nicht aufhalten.“
Pablo Neruda, „Canto General“, 1950.
Hier auch der Flyer als pdf
Mit der Kampagne „International solidarisch: Schluss mit Austerität“ haben wir uns als Studierendenschaft zum Ziel gemacht, die weltweit verheerende Austeritätspolitik ein für alle Mal zu beenden und somit eine neue geschichtliche Etappe einzuleiten: eine der bewussten, planvollen, demokratischen Gestaltung global menschlicher Lebensverhältnisse!
Das ist keine Kleinigkeit. Genau deshalb wollen wir mit einer thematischen Filmreihe rund um diese Auseinandersetzung die Ansprüche und den Horizont dafür weiten, was gesellschaftlich wie persönlich an menschlicher Entwicklung möglich ist und dafür die internationale und geschichtliche Dimension der Bedeutung einer Überwindung des Austeritätsdogmas erfassbar machen, uns gemeinsam entsprechend politisch, historisch, ökonomisch und kulturell qualifizieren und so zur erfreulichen Mittäterschaft anregen.
Beispielhaft soll die internationale Dimension an einigen herausragenden Filmen beleuchtet werden: an der Geschichte Chiles und der Präsidentschaft Allendes („Allende“, Patricio Guzman) wird deutlich, gegen welche positive Entwicklungsoption, die heute umso mehr auf der Tagesordnung steht, der Neoliberalismus samt Austerität sich richtet. An der „Krise“ Argentiniens („Geschichte einer Plünderung“, Fernando Solanas) lässt sich vertiefen, warum die Macht der Banken ein zentrales Problem ist und wie sie zurückgedrängt werden kann. Griechenland steht nicht nur beispielhaft für die aktuelle Brutalitätsdimension des „Spardiktats“, sondern seine Geschichte ist auch seit jeher beispielhaft für die Überwindbarkeit reaktionärer Gewalten („Z – Anatomie eines politischen Mordes“, Costa-Gavras). Der aktuelle Zusammenhang von Schuldenbremsen-Politik und antidemokratischer Zuspitzung wie auch die ermunternde Geistesverwandtschaft der progressiv Engagierten weltweit wird an Brasilien besonders deutlich („Der Prozess“, Maria Ramos). Geschichtlich wollen wir u.a. die Phase der materiellen Überfälligkeit kapitalistischer Produktionsverhältnisse seit 1848 („Der junge Karl Marx“, Raoul Peck) beleuchten, die Genese des deutschen Kapitalismus und die Herkunft des Reichtums heutiger „Eliten“ aus dem Faschismus erhellen („Wir Wunderkinder“, Kurt Hoffmann), den Ursprung der neoliberalen Ära im Thatcher-England und aktuell beispielgebende Strategien ihrer Überwindung („Pride“, Matthew Warchus) erkennbar machen und den Charakter der aktuellen Krise seit 2008 und Lösungsoptionen erfassen („Goldman Sachs – eine Bank lenkt die Welt“, arte-Doku und „Capitalism a love story“, Michael Moore).
So mag eröffnet sein, uns gemeinsam ein Bewusstsein von der entscheidenden Bedeutung der Solidarität als Haltung und Praxis zu bilden. Die Filme werden jeweils durch ein kurzes Referat eingeleitet, im Anschluss wird es die Möglichkeit zur Diskussion geben.
Warum am Philturm?
Privatisierungs- und Kürzungspolitik haben über Jahrzehnte den Verfall des Philosophenturms begünstigt, weshalb er nun aufwendig saniert werden muss wofür seine Bewohner zeitweilig ausquartiert wurden. Der Turm repräsentiert architektonisch den demokratischen Bruch mit dem Faschismus und war somit Vorbote der sozialen und kulturellen Öffnung durch ‘68. Die Vertäfelung mit rotem Granit im Erdgeschoss steht beispielhaft für die planerische humanistische Wertschätzung der Studierenden, die ihrerseits künstlerische Spuren der politischen Auseinandersetzungen in Form von Graffitis hinterlassen haben. Er war in seiner Geschichte fast von Anfang an das kulturelle Zentrum auf dem Campus. Er versinnbildlicht somit exemplarisch nicht nur die Zerstörung durch neoliberale Politik, sondern ist auch historisch-aktueller Bezugspunkt emanzipatorischer Studierendenbewegung in Hamburg.
Wir wollen diese unhaltbare Leerstelle nun auch füllen, indem wir den Turm als Projektionsfläche für das Sommerkino/Filmseminar nutzen.