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Push – für das Grundrecht auf Wohnen
8. Januar 2020 @ 20:00 - 23:30
(Doku | Regie: F. Gertten | SWE 2019 | 95 Min. | deu)
Angemessener, bezahlbarer Wohnraum ist ein universelles, soziales Grund- und Menschenrecht – juristisch garantiert und geschützt durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und den Sozialpakt der Vereinten Nationen. De facto wird es weltweit – insbesondere in den großen Städten und zugespitzt seit der sog. „Finanzkrise“ 2008ff. – mit Füßen getreten. Explodierende Mieten, Gentrifizierung, Verdrängung sozial Benachteiligter aus den Innenstädten, wachsende Wohnungslosigkeit, schädliche Nachverdichtungen, prekäre und ausbeuterische Mietverhältnisse, unterlassene Instandsetzungen und gezielte Entmietung zu spekulativen Gewinnzwecken haben Wohnen zum Überlebenskampf und Armutsrisiko für weite Bevölkerungsteile der Industriestaaten gemacht. Ein sozialer Grundsatzkonflikt mit gesellschaftlichem Sprengstoff.
Den Ursachen dieser globalen Misere geht der hochaktuelle, aufschlussreiche und nüchtern erzählte Dokumentarfilm „Push“ auf den Grund, indem er Leilani Farha bei ihrer Arbeit begleitet. Sie ist die UN-Sonderberichterstatterin für das Grundrecht auf Wohnen. Für ihren Lagebericht dokumentiert sie Wohnungskämpfe unter anderem in Toronto, Valparaiso, London, New York, Uppsala, Barcelona, Berlin und Seoul. Begleitet von analytischen Einordnungen international bekannter Wissenschaftler und Publizisten (u.a. Joseph Stiglitz, Saskia Sassen, Roberto Saviano) wird schnell klar: die neoliberale Privatisierung und Deregulierung des Wohnungsmarktes und der Finanzbranche seit den 1980er Jahren haben ein zentrales menschliches Grundbedürfnis zu dem Spekulationsobjekt schlechthin für zwielichtige globale Investment-Fonds gemacht, die Mietern, Miteigentümer und staatlichen Stellen gleichermaßen in der Hand haben und zum Narren halten. Ein wesentlicher Grund auch für die explodierende soziale Ungleichheit im letzten Jahrzehnt. Die schiere Summe von 217 Billionen US-$ an Vermögenswerten, mit denen hier gehandelt wird, zeigt, dass das Kapital inzwischen in Sphären agiert, die von der realen Wertschöpfung vollständig enthoben sind. Darin besteht der systemische Charakter der weltweiten gesellschaftlichen Krise. Im Lichte dessen erscheint die Rede von schützenswerten Investoren-Interessen und das notorische „DDR 2.0“-Geschrei bei selbst gelindesten staatlichen Regulierungsbestrebungen nur noch lachhaft.
Die Schaffung von angemessenem, bezahlbaren Wohnraum für Alle ist nicht allein eine Frage der Verwirklichung eines individuellen Menschenrechts sondern eine fundamentale Notwendigkeit für gesellschaftlichen Fortschritt überhaupt. Isolierte Einzelmaßnahmen reichen dabei nicht aus: massive Ausweitung von sozialem Wohnungsbau, unbegrenzte Mietpreisbindungen, eine klare soziale Mietendeckelung, die Enteignung großer Immobilienkonzerne, die Rekommunalisierung entäußerten Grund und Bodens, Zwangsenteignungen von Leerstand, die Schließung von Steuerschlupflöchern und das Verbot von Spekulationsgeschäften sind allesamt gleichermaßen zu erwirken, wenn es wirklich besser werden soll.
Nicht zuletzt dafür ist die Politik der Schuldenbremse in Hamburg wie allerorten sofort zu beenden! Initiativen in diesem Sinne wirken notwendig international – auch das zeigt der Film. Schluss mit der Bescheidenheit – es gibt eine Welt zu gewinnen.
„Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens.“
T. J. Dunning, zitiert in: Karl Marx, „Das Kapital“ Bd. 1, „Genesis des industriellen Kapitalisten“, 1867.
Hier findet ihr den Tyler auch als pdf.