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Jakarta Disorder
1. April 2020 @ 20:00 - 23:30
(Doku | Regie: A. Breuer | D/INA 2013 | 87 Min. | OmU)
Jakarta Disorder ist eine filmische Manifestation des hoffnungsstiftenden, gemeinsamen Aufbegehrens in Zeiten tiefster verordneter Alternativlosigkeit. Wenn die Geschichte, die er dokumentiert, nicht real wäre, müsste man sie erfinden.
Die Ausgangsbedingungen für die marginalisierten Bewohner der „Kampungs“ (Slums), zu ihren politischen, sozialen und kulturellen Rechten, zu ihrer Würde, zu gesellschaftlichem Einfluss und einem besseren Leben zu kommen, könnten schwieriger kaum sein: in den Sümpfen der 20-Millionen-Metropole, unter katastrophalen hygienischen Zuständen, ist ihnen nicht nur der Zugang zu sauberem Trinkwasser, Mobilität, Gesundheitsversorgung und weiteren Lebensgrundlagen weitestgehend verwehrt. Sie befinden sich mit ihrem Wohnen, Arbeiten (falls überhaupt möglich) und Leben stets am Rande der Rechtlosigkeit.
Nun soll auch noch ihr sozialer Zusammenhang und ärmlicher Lebensraum zerstört werden: durch die Regierung und ihre brutal vorgehende Militärpolizei unterstützt, wollen Investoren Jakarta neoliberal modernisieren und für die kleine, obere Mittelschicht Indonesiens neue Wohnkomplexe auf dem Boden der Kampungs errichten.
Mithilfe des UPC („Urban Poor Consortium) und unter der unnachgiebig engagierten Anleitung der Aktivistin Wardah Hafidz organisieren sich die Bewohner zum Widerstand. Ein geradezu revolutionärer Akt – insbesondere in Indonesien. Nach dem US-gestützten Militärregime (1967-1998) des Generals Suharto, dem nicht nur ein Großteil der gesellschaftlichen Linken zum Opfer fiel (die ehemals drittgrößte kommunistische Partei der Welt wurde quasi ausgelöscht), kehrte das Land vor allem dank studentischer Bewegung zwar formal zur Demokratie zurück. Nach wie vor gilt aber fast jeder sozial-progressiver Organisierungsversuch als Staatsverrat.
Die Kampung-Aktivisten um die 66-jährige Oma Dela, die unverdrossen kämpfende gute Seele, die sich durch das Engagement, die gemeinsamen Protest- und Qualifizierungsaktivitäten zum moralisch-motivational überzeugungsstarken Zentrum der Bewegung entwickelt, lassen sich davon keineswegs abbringen.
Nachdem sie einen Forderungskatalog für die Linderung des unmittelbaren Elends entwickelt haben (Bildung, Arbeit, Wohnen, Gesundheitsversorgung, soziale Absicherung und rechtlicher Schutz für Alle), die sie in einem politischen Vertrag mit den Präsidentschaftskandidaten festgehalten sehen wollen, den aber niemand bereit ist, zu unterzeichnen, machen sie sich auf in die anderen Kampungs, um die Armen und Entrechteten zusammenzubringen, aufzuklären und alle für das Engagement für die eigenen, gemeinsamen Interessen zu mobilisieren. Schon logistisch keine Kleinigkeit, müssen sie dabei auch mit dem tief geschürten Misstrauen, politisch hergestellter Resignation und Unwissenheit aufräumen.
Die selbstgeschaffene, greifbare Hoffnung, mit dem eigenen Wirken in historisch nie dagewesener Weise ein besseres Leben für Millionen schaffen zu können, lässt sie dabei über sich hinauswachsen. „Eine Orange isst keine Orange“, so einfach und überzeugend kann eine politische Wahrheit ausgesprochen werden.
Durch die nicht aufzuhaltende Bewegung wird 2014 mit Joko Widodo ein linker Präsident gewählt, der nicht nur den politischen Vertrag der Armen unterschreibt, sondern weitreichende soziale Transformationen im Land durchzusetzen beginnt und damit ein neues historisches Kapitel für die jahrhundertelang kolonial, imperial und militärisch geknechtete Bevölkerung des Landes öffnet.
So ist ein unvergleichlich lehrreiches Beispiel geschaffen – für alle, überall, zu jeder Zeit. „Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein.“ Ein Leben in Frieden, Würde und Wohlentwicklung für Alle ist längst möglich. Schluss mit den Einschränkungen – Schluss mit Austerität. Jetzt erst Recht.
„Wenn Menschen widerstehen, handeln Tatsachen.“ Heinrich Mann, „Es kommt der Tag“, 1936.
Hier findet ihr den Flyer auch als pdf.