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Ich war neunzehn
13. Mai 2020 @ 18:00 - 22:00
Spielfilm | Regie: K. Wolf | DDR 1968 | 115 Min. | deu
Am 8. Mai vor 75 Jahren erzwang die Anti-Hitler-Koalition (Sowjetunion, USA, Großbritannien) die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht, beendete damit den 2. Weltkrieg in Europa und befreite die Welt von der Geißel der faschistischen Barbarei. Voraussetzung dafür war die Befreiung Berlins durch die Rote Armee der Sowjetunion, die im Kampf gegen den 4 Jahre zuvor begonnenen „Vernichtungsfeldzug“ der Nazis über 27 Millionen Todesopfer zu beklagen hatte.
Einer der Befreier Berlins war der damals 19-jährige, in Hechingen geborene spätere Filmemacher und Präsident der Akademie der Künste der DDR, Konrad Wolf. Mit seiner Familie um Vater Friedrich Wolf, Sohn eines jüdischen Kaufmanns, Arzt, Dramatiker und Kommunist, war er 1933 nach Moskau emigriert. Als sowjetischer Staatsbürger aufgewachsen, meldete er sich 1943 freiwillig zur Roten Armee, um an der Befreiung seiner ihm stets fremd gebliebenen Heimat teilzunehmen. Über zwanzig Jahre dauerte es, bis er die Erlebnisse der nicht mehr in seinem Tagebuch aufgezeichneten letzten Kriegstage mit authentisch persönlichem Ausdruck filmisch verarbeiten konnte. Entstanden ist dabei einer der großartigsten und bewegendsten Filme überhaupt – ein Monument ohne Helden: für die Verabscheuungswürdigkeit von Krieg und Faschismus, die Liebe zum Leben, die unbezwingbare Stärke von Humanität, Aufklärung und menschenfreundlicher Kultur und die Größe wahrhafter Freundschaftlichkeit.
Abkommandiert zu einer Sondereinheit, deren Aufgabe es ist, über Lautsprecherwagen durch Musik, Gedichte, literarische Werke der Exilanten, Aufklärungsbotschaften und persönliche Ermutigungen die feindlichen deutschen Soldaten zum Niederlegen der Waffen zu bewegen, rückt der Protagonist Gregor Hecker Ende April in Bernau ein und muss, kurzerhand zum neuen Stadtkommandanten ernannt, den Nachschub und den Neuaufbau einer zerstörten und geschundenen Stadt organisieren. Mit den zwei ebenso kultur- und menschenfreundlich überzeugten sowjetischen Offizieren seiner Einheit und dem Fahrer „Dschingis“ erlebt er die Befreiung des KZ Sachsenhausen und – im Angesicht der Bestialität der Nazi-Verbrechen – den Streit darum, wie mit flüchtigen Lageraufsehern zu verfahren sei. Die Belagerung der strategisch wichtigen Zitadelle von Spandau – in der sich verbliebene Wehrmachtsoffiziere und marodierende SS-Einheiten mit Tausenden Zivilisten als menschlichen Schutzschilden verschanzt halten – wird zum Sinnbild für die Bewährungsprobe der humanistischen Überzeugungen. Um Blutvergießen zu vermeiden, müssen Gregor und Wadim, die beiden als unbewaffnete Parlamentäre entsandten Freunde die Nazi-Generäle in der Festung von der Kapitulation überzeugen, obwohl diese jegliche Verhandlung bereits abgelehnt haben. Die ausgelassene Feier zum 1. Mai wiederum wird zur Zäsur im Bewusstsein für den Sinn des Ganzen: eine Gesellschaft des Friedens, der Völkerfreundschaft und der genussreichen, solidarischen Kultur sind hier bereits vorweggenommen. Dafür – das zeigt schon der nächste Tag auf erschütternde Weise – musste der Krieg geführt und gewonnen werden. Nur so war er zu beenden. Damit dergleichen nie mehr sei.
Die Menschenfreundlichkeit kann über die Barbarei obsiegen, wenn sie konsequent verwirklicht und in Kontrahenz zu ihren Gegenkräften stets ausgeweitet und substanziiert wird. Mit der Wahrnehmung dieser zivilisationshistorischen Bedeutung wachsen auch die Persönlichkeiten.
Das ist das Erbe, das wir diesem Film, Menschen wie Konrad Wolf und unseren sowjetischen wie internationalen Befreier*innen verdanken. Kein Tag eignet sich besser zum bundesdeutschen Feiertag als der 8. Mai. Kein Feiertag könnte uns die notwendigen Lehren aus der Geschichte nachhaltiger nahebringen.
Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg. Schluss mit Austerität!
„Am Grunde der Moldau wandern die Steine,
es liegen drei Kaiser begraben in Prag.
Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das kleine,
die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag.“
Bertolt Brecht, „Lied von der Moldau“, 1944.