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Filmseminar: Wenn die Kraniche ziehen
Juni 18 @ 21:00 - 23:30
(Spielfilm | Regie: Michail Kalatosow | SU 1957 | 95 Min. | deu)
Humanität und Krieg bilden einander ausschließende, fundamentale Gegensätze. Diese trivial klingende, aber menschheitsgeschichtlich mühsam errungene Erkenntnis des 20. Jahrhunderts ist es, die mit rabiatem Primitivismus für nichtig erklärt wird, wenn die „Kriegstauglichkeit“ wieder zur obersten Priorität allen gesellschaftlichen Handelns in der Bundesrepublik erhoben werden soll.
Am 22. Juni 1941 begann die faschistische, deutsche Wehrmacht mit dem Überfall auf die Sowjetunion den grausamsten Raub- und Vernichtungsfeldzug, den die Welt je erlebt hat. Über 27 Millionen Sowjetbürger:innen wurden ermordet, ganze Landstriche komplett verwüstet, entvölkert und auf Jahrzehnte unbewohnbar gemacht, bevor am 8. Mai 1945 den vereinigten Kräften der Anti-Hitler-Koalition unter Führung der UdSSR die Befreiung von Faschismus und Weltkrieg gelang.
Es war bereits der zweite, vom deutschen Militarismus entfesselte Weltenbrand, der nur durch die revolutionäre Friedenstat der sozialistischen Sowjetbevölkerung ein Ende fand.
Heute, 80 Jahre später, ist die Frage, wie Kriege zu beenden und für alle Zeiten unmöglich zu machen sind, umso dringlicher gestellt. Zu ihrer Beantwortung deutlich hilfreicher als die wiederauflebenden Phantasmagorien der zweifach „Besiegten“ dürften die historischen Erfahrungen, Lehren und Schlussfolgerungen der damaligen Befreier sein.
Kaum ein künstlerisches Werk legt davon so eindrucksvoll Zeugnis ab, wie der 1957 veröffentlichte, cineastisch die sowjetische „Tauwetter“-Periode begründende Antikriegsfilm „Wenn die Kraniche ziehen“ von Michail Kalatosow.
Die Rohheit des Krieges wird darin sehr bewusst nicht anhand des vordergründigen militärischen Geschehens reflektiert, sondern in dem dramatischen, widerspruchsvollen Ringen um Humanität, das sich jenseits der Front abspielt. Handlungsleitend ist der Werdegang Weronikas, einer Moskauer Studentin, deren liebevoll-sympathetische, zunächst recht naiv anmutende Verbindung mit dem Studenten Boris einen jähen Bruch erfährt, als dieser sich angesichts des faschistischen Überfalls freiwillig zur Roten Armee meldet. Allen Anflügen idealisierender Verklärungen trotzend bekundet Boris‘ Vater sein tiefes Missbehagen über die Entscheidung des Sohnes, kann ihn jedoch nicht abhalten. Als Weronikas Familie bei einem Luftangriff auf Moskau zu Tode kommt, nimmt der Vater sie wohlwollend auf. Der wegen einer erschlichenen Freistellung ebenfalls im Haus lebende Cousin von Boris nutzt jedoch Weronikas Hilflosigkeit in einem neuerlichen Bombenhagel aus und vergewaltigt sie. Aus Scham und Verzweiflung heiratet sie den Cousin und wird mit der Familie angesichts des deutschen Vormarschs nach Sibirien evakuiert. Ahnend, dass Boris den Fronteinsatz nicht überleben wird und sich selbst des „Verrats“ bezichtigend, will sie ihrem sinnlos erscheinenden Leben ein Ende bereiten, als sie unwillkürlich einem kleinen, kriegsverwaisten Jungen das Leben rettet. Die leise keimende Hoffnung wird zusätzlich genährt, als Boris‘ Vater die niederen Machenschaften des Cousins durchschaut und sich entschließt, diesen, anstelle Weronikas, vor die Tür zu setzen.
Seine dramatisch-wegweisende, nachhaltig aufklärerische Wendung nimmt die Filmerzählung jedoch zum Schluss, als Weronika im allgemeinen Jubel über das Ende des Krieges durch einen Frontkameraden die unmissverständliche Nachricht von Boris‘ Tod erhält.
Die folgende Ansprache des kriegsgezeichneten Freundes an die Moskauer Bevölkerung möchte man als Dauerbotschaft all jenen in Endlosschleife zu Gehör und Bewusstsein bringen, die noch immer nicht begreifen wollen, dass der Krieg seinem Wesen nach nur Verlierer kennt und dass es der Frieden ist, den es zu gewinnen gilt.
Die leidgeprüfte Liebe Weronikas reift zur unbedingten, uneingeschränkten Liebe zum Leben, zum Menschen und seiner allseitig erfreulichen Entfaltung. Für dieses produktive, schöpferische Werk sind alle geistigen und materiellen Ressourcen zu mobilisieren, die die Menschheit über Jahrtausende hervorgebracht hat. Das sind die unhintergehbaren Lehren aus zwei Weltkriegen, die es mit leidenschaftlichem Verstand konsequent zu verwirklichen gilt. Nie wieder Faschismus bedeutet nie wieder Krieg!
Darum: International solidarisch – Schluss mit Austerität!
„Da lesen wir in der demokratischen Presse etwas von der »Gefährdung des Wehrgedankens«. Aber wir wollen ihn so gefährden, dass ihm die Luft ausgeht, und wir pfeifen auf jenen »gesunden Pazifismus«, der die Heere aufbaut und erweitert, der den Massenmord präpariert, der sein Land ins Unglück stürzt und der ebenso verbrecherisch ist wie das, was er vorbereitet.“
Kurt Tucholsky, „Gesunder Pazifismus“, 1928.