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Filmseminar: The Fog of Peace

2. August 2023 @ 21:00 - 23:30

(Doku | Regie: Joel Stängle | COL/USA 2020 | 85 Min. | OmU)

Im Sommer als Freiluftkino auf dem Campus Von-Melle-Park.
Bei schlechten Wetter überdacht am Rechtshaus (Schlüterstraße 28).


Können Kriege durch Verhandlungen beendet werden? Gemäß der verbreiteten Anschauung, dass sich in bewaffneten Konflikten zwei Parteien gegenüberstünden, die ausschließlich die militärische Vernichtung der jeweiligen Gegenseite als Resultat akzeptierten, selbstverständlich nicht. Diese Betrachtung folgt jedoch der Logik einer Kriegspartei, die an der Beendigung der Waffengewalt gar nicht interessiert ist. Die komplexe Realität von Konflikten sieht meist anders aus.

Stets gibt es auf beiden Seiten Akteure, die mit den Kriegshandlungen Interessen verfolgen, die einander nicht prinzipiell ausschließen müssen, und die deswegen durchaus an einer friedlichen Lösung interessiert sein können.

Die Kunst des Verhandelns besteht genau darin, diese Kräfte auf beiden Seiten zu identifizieren, zusammenzuführen und ihre divergierenden Interessen in ein für beide Seiten akzeptables Verhältnis zueinander bringen. So lässt sich auf allen Seiten ein gesellschaftliches Kräfteverhältnis herausbilden, bei dem die an der zivilen Entwicklung interessierten Kräfte neu dominieren gegenüber jenen, die vom gewaltförmigen Konfliktaustrag profitieren. Voraussetzung dafür ist, dass relevante Teile der zivilen Öffentlichkeit die Notwendigkeit einer solchen Perspektive engagiert artikulieren.

Eindrucksvollster Beleg der jüngeren Zeit für das widerspruchsreiche Gelingen eines solchen Prozesses ist das 2016 verhandelte Friedensabkommen zur Beendigung des über 50 Jahre währenden Bürgerkriegs in Kolumbien, der bis dahin mehr als 200.000 Menschen das Leben gekostet hat und die große Mehrzahl der Bevölkerung des eigentlich reichen Landes auf zutiefst inhumane Weise ihrer enormen Entwicklungsmöglichkeiten beraubte.

Unter dem Eindruck des gewachsenen Unmutes in der Bevölkerung über die stete Zuspitzung der tagtäglichen Gewalt und eine tiefgreifende gesellschaftliche Perspektivlosigkeit, ist es auf Initiative der kubanischen und der norwegischen Regierung gelungen, die maßgeblichen Vertreter:innen der kriegführenden Parteien an einen Tisch zu bringen.

In endlosen Gesprächsrunden rangen Entsandte der Führung der sozialrevolutionären FARC-Guerilla sowie der kolumbianischen Regierung unter dem nationalkonservativen Präsidenten Juan M. Santos in einem kubanischen Hotelkomplex über mehrere Monate um die Formulierung eines Friedensvertrags, während im Land selbst die bewaffneten Auseinandersetzungen weitergingen. Die durch ein fragwürdiges Amnestie-Gesetz von 2006 offiziell entwaffneten paramilitärischen Verbände der ultrareaktionären AUC, jahrelang finanziert durch einflussreiche kolumbianische Großgrundbesitzer, US-Geheimdienste und lokale Drogenkartelle, zumeist geschützt durch Armee und Behörden der Vorgängerregierungen und verantwortlich für über 80% der Todesopfer des Konflikts, waren von den Verhandlungen ausgeschlossen, ließen jedoch keine Gelegenheit ungenutzt, um die Annäherung der Verhandlungsparteien durch neuerliche Gewalteskalationen zu torpedieren. Gegen alle Störmanöver, mitunter gar aus den „eigenen Reihen“, gelang den Verhandler:innen dennoch eine Einigung von historischer Bedeutung.

Sie umfasst u.a. eine Bodenreform zugunsten der verarmten Kleinbauern zur Bekämpfung der enormen sozialen Ungleichheit (die eigentliche Ursache des Konflikts – noch immer besitzen 0,4% der Bevölkerung 67% der Anbauflächen des Landes während sich 84% der Bauern 4% der Fläche teilen müssen), den sozialen, rechtlichen und physischen Schutz von diskriminierten Bevölkerungsgruppen aller Art, die gemeinsame Bekämpfung des Drogenhandels, die Entschädigung aller Opfer des Konflikts, die politische Repräsentanz der FARC im Gegenzug zu ihrer vollständigen, durch die UN kontrollierten Entwaffnung sowie vor allem eine Sondergerichtsbarkeit zur Aufarbeitung der Kriegsverbrechen.

Der Film dokumentiert das beispielgebend kluge und mutige Engagement für diesen Friedensprozess, indem er zwei Protagonisten der FARC bei ihren Verhandlungs- und Aufklärungsaktivitäten begleitet. Der „Nebel des Friedens“ beschreibt dabei die stete Umkämpftheit dieses Entwicklungspfades, denn sein Gelingen hängt ganz entscheidend vom staatlichen und zivilgesellschaftlichen Wirken für die Überwindung der Konfliktursachen ab.

Der Film belegt damit auch, dass zivile Konfliktlösung  mit naivem Kamillentee-Pazifismus nichts zu tun hat. Sie ist der beherzte Kampf für die einzig realistische, gesellschaftliche Perspektive: ein menschenwürdiges Leben für Alle. Von der Mehrzahl, durch die Mehrzahl, für die Mehrzahl. Das lässt sich lernen. Es ist höchste Zeit.

Brot, Frieden, Würde – jetzt! International solidarisch: Schluss mit Austerität.

 „Derjenige, der zum ersten Mal an Stelle eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation.“
Sigmund Freud, „Über den psychischen Mechanismus hysterischer Phänomene“, 11. Januar 1893.

Den Flyer findet ihr hier auch als pdf. 

sowie auch auf Englisch als [pdf].

Details

Datum:
2. August 2023
Zeit:
21:00 - 23:30
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