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Filmseminar: Nicht alle waren Mörder

11. Mai 2022 @ 20:00 - 23:30

(Spielfilm | Regie: Jo Baier | D 2006 | 95 Min. | deu.)


Der 8. Mai 1945 markiert die wichtigste positive Zäsur in der deutschen Geschichte und der jüngeren Menschheitsgeschichte. Mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht endete der Zweite Weltkrieg in Europa und die barbarische Gewaltherrschaft des deutschen Faschismus, dessen weltweitem Vernichtungsfeldzug mehr als 60 Millionen Menschen, darunter allein 27 Millionen Sowjetbürger:innen und mehr als 6 Millionen Jüd:innen, zum Opfer fielen. Die Befreiung war das historische Werk eines internationalen, weltanschauungs- und systemübergreifenden Bündnisses der Antifaschist:innen, von der Sowjetunion bis zu den USA, unter wesentlicher Beteiligung zahlreicher Partisanen- und Widerstandskämpfer:innen – vereint in dem Wirken für eine humane, friedvolle und solidarische Zivilisationsentwicklung.

Der kürzlich im Alter von 90 Jahren leider viel zu früh verstorbene Schauspieler, Schriftsteller und zeitlebens engagierte Humanist Michael Degen erlebte als 13-Jähriger die Befreiung in einem Kellerversteck in Berlin an der Seite seiner jüdischen Mutter. In seiner autobiographischen Romanerzählung „Nicht alle waren Mörder“, die 2006 unter seiner Mitwirkung verfilmt wurde, hat er auf eindrucksvolle Weise jene Umstände geschildert, die zu diesem Erleben führten. Er schuf damit nicht nur ein unschätzbar erhellendes, authentisches Zeitdokument, sondern rückte zugleich auch jene Menschen ins Blickfeld der Geschichtsschreibung, die in all ihrer Unterschiedlichkeit durch ihr spezifisch-beherztes Handeln seine persönliche Befreiung erst möglich machten.

Da ist zum einen die adlige russische Emigrantin Dimitrieff (gespielt von Hannelore Elsner), die Mutter und Sohn direkt nach deren Flucht vor der drohenden Deportation 1943 in ihrem Berliner Luxusappartement versteckt, in dem sie zur gleichen Zeit Nazi-Größen bei Klavierabenden empfängt. Da ist die handfeste Oma Teuber (Katharina Thalbach), die in ihrer Arbeiterwohnung Platz für die Flüchtenden macht, während sie ihre Tochter an Fronturlauber „vermietet“, um die Familie durchzubringen. Da ist die Freundin Lona, die stets Kontakt hält und die Verpflegung organisiert. Da ist der Kommunist Hotze, der die möglichen Unterkünfte ausfindig macht und dessen Schwägerin Märtchen Schewe, in deren Laube die Familie mit den Hotzes schließlich unterkommt, bevor jene selbst von der Gestapo ins KZ verbracht werden. Und da ist die letzte Zuflucht, der Lokführer Redlich (Axel Prahl), mit dessen Sohn sich der in gefälschter HJ-Uniform spielende Michael angefreundet hatte und der, wie sich herausstellt, die Deportationszüge nach Polen gefahren hat. Als schließlich die Sowjets auf Mutter und Sohn Degen treffen, glaubt ihnen der Offizier ihre jüdische Abstammung zunächst nicht. Nach all dem Gesehenen erscheint es undenkbar, dass es mitten in Berlin Jüd:innen geben kann, die das faschistische Grauen überlebt haben. Doch, es gab sie.

Die Großartigkeit des Films besteht darin, dass er es dank der Treue zur erzählerischen Vorlage und mit ausdrucksstarkem Spiel schafft, erkenntlich, erfassbar und verstehbar zu machen, von welch historischer Tragweite die persönliche Entscheidung zu humanem widerständigen, solidarischen Handeln ist, von welcher immensen Vielfalt diese alltäglich praktizierte Haltung sein kann und dass sie von jedem zu jederzeit unter allen denkbaren Umständen realisierbar ist.

Dies ist das heute mit aller Kreativität lebendig zu entfaltende Vermächtnis Michael Degens und der historisch gelungenen Befreiung. Die Schlussfolgerungen von 1945 sind – gegen neuerliche Geschichtsvergessenheit, waffengeifernden Heldenpathos und verstockte Feindbildpflege – vollumfänglich zu verwirklichen.

Der 8. Mai sollte bundesweiter, gesetzlicher Feiertag werden (https://8mai-hamburg.de/).
Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

International solidarisch – Schluss mit Austerität!

„Das alte Neue
Zu Me-ti sagte ein Schüler: Was du lehrst, ist nicht neu. Dasselbe haben Ka-meh und Mi-en-leh gelehrt und unzählige außer ihnen. Me-ti antwortete: Ich lehre es, weil es alt ist, d.h. weil es vergessen werden und als nur für vergangene Zeiten gültig betrachtet werden könnte. Gibt es nicht ungeheuer viele, für die es ganz neu ist?“
Bertolt Brecht, „Me-ti. Buch der Wendungen“, entstanden im Exil der 1930er Jahre.

Den Flyer findet ihr hier auch als pdf.

 

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit Linksjugend ’solid Hamburg statt.

Details

Datum:
11. Mai 2022
Zeit:
20:00 - 23:30
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