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Filmseminar: New Deal for Artists

16. März 2022 @ 18:00 - 22:00

(Doku | Regie: Wieland Schulz-Keil | USA 1979 | ca. 90 Min. | OmU)


Der „New Deal“ (1933-1945) war in politischer, kultureller und sozioökonomischer Hinsicht die bedeutendste positive Zäsur in der jüngeren Geschichte der USA. Gewählt für das Versprechen, die Karten zwischen Arm und Reich grundlegend neu zu verteilen, setzte Präsident Franklin D. Roosevelt – gestützt auf ein gesellschaftliches Bündnis aus Arbeiter:innen- und Gewerkschaftsbewegung, sozialkritischen Intellektuellen und fortschrittlich engagierten Kräften der Zivilgesellschaft – eine Reihe tiefgreifender sozialstaatlicher Reformen durch, die mit dem bis dahin gültigen Dogma der Austerität (Marktgläubigkeit, knappgehaltene Sozialausgaben und „Eigenverantwortung“ für das „niedere Volk“) brachen.

Erklärtes Ziel dieses „neuen Gesellschaftsvertrags“ war, das infolge der Weltwirtschaftskrise entstandene Massenelend zu beseitigen, den marginalisierten Schichten der breiten Bevölkerung zu würdiger Arbeit, neuem Selbstbewusstsein und gesellschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu verhelfen und so zu gewährleisten, dass die Früchte der Arbeit auch endlich allen gleichermaßen zu Gute kommen könnten. Neben der strikten Einhegung privatwirtschaftlichen Gewinnstrebens (u.a. durch Einführung des Trennbankensystems), der Einführung sozialstaatlicher Mindestsicherungssysteme (bei Löhnen, Renten und Erwerbslosenhilfe) sowie der massiven Stärkung von Arbeits-, Tarif- und Mitbestimmungsrechten der Gewerkschaften war der wichtigste Eckpfeiler dieser Transformation ein Milliardeninvestitionsprogramm für den Bau und Ausbau von Schulen, Hochschulen, Krankenhäusern, Sport- und Kulturstätten, Wohnungen, Verkehrswegen und Großprojekten zur Energiegewinnung – sprich der gesamten zivilen öffentlichen Infrastruktur. Mithilfe dieser unter dem Dach der Works Progress Administration (WPA) orchestrierten Maßnahmen wurden Millionen US-Amerikaner:innen in staatlich gesicherte Arbeits- und Einkommensverhältnisse gebracht und zugleich der Grundstein für die jahrzehntelang anhaltende Phase sozialer Prosperität des Landes gelegt.

Der Film „New Deal for Artists“ dokumentiert auf eindrucksvolle Weise, welch bahnbrechende Bedeutung die Programme der WPA insbesondere für das Erblühen einer eigenständigen, demokratisch-vitalen, lebensnahen und gesellschaftlich-progressiv wirkenden Kunst- und Kulturszene hatten. Zahllose namhafte US-Künstler:innen – darunter Schauspieler und Regisseure wie der Sprecher der Doku (Orson Welles) – verdanken ihre Weltbekanntheit der staatlichen Kulturförderung durch die WPA. In ihrem Zuge entstand das erste afroamerikanische Theaterensemble in Harlem, wendeten sich Schriftsteller:innen der sozialen Lage der bis dato weitgehend vergessenen Landbevölkerung zu, wurden in der Malerei alle erdenklichen Stilrichtungen gefördert und u.a. die Kunst der Navajo zum ersten Mal sichtbar gemacht, entstand mit der Sozialfotografie ein völlig neues Genre, das sogar Eingang in Lehrbücher der Wirtschaftswissenschaften fand, wurde das erste Archiv der afroamerikanischen Geschichte angelegt sowie für zahllose subkulturell und avantgardistisch orientierte Künstler:innen Arbeits-, Übungs- und Ausstellungsmöglichkeiten geschaffen. Kunst nicht um der Kunst willen, sondern um der Menschheit willen!

Dieser Leitgedanke, sinnbildlich für die Gesamtidee des „New Deals“, war dessen antikommunistischen Gegnern so sehr ein Dorn im Auge, dass noch vor Eintritt der USA in die Anti-Hitler-Koalition mit Großbritannien und der Sowjetunion zur Niederringung des deutschen Faschismus bereits ab 1936 das „Komitee für unamerikanische Umtriebe“ unter Senator McCarthy Zensur gegen die WPA-Künstler auszuüben begann und mit der späteren Einstellung des Arts Projects auch den Anfang vom Ende der transformatorischen Aufbruchphase insgesamt einläutete. Der historischen Bedeutung und dem aktuellen Erfordernis eines neuen „New Deals“ als einzig realistischer, humaner Krisenlösung im Weltmaßstab hat dies freilich keinerlei Abbruch getan. Das lässt sich am filmisch dokumentierten Vermächtnis der „Geschichtsschreibung von Unten“ eindringlich erkennen.

Eine andere Welt ist möglich. Darum: International solidarisch – Schluss mit Austerität!

„Aus dem ganzen Land schauen Männer und Frauen auf uns, die von der politischen Philosophie der Regierung vergessen wurden, um Perspektive und eine gerechtere Chance auf einen Anteil am nationalen Wohlstand zu bekommen. Ich verpflichte mich zu einer Neuverteilung der Karten für das amerikanische Volk. Das ist mehr als eine politische Kampagne. Das ist ein Ruf zu den Waffen.“
Franklin D. Roosevelt, Nominierungsrede zur Präsidentschaftswahl, 11. Juli 1932.

Den Flyer findet ihr hier auch als pdf.

Details

Datum:
16. März 2022
Zeit:
18:00 - 22:00
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