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Filmseminar: M
Februar 21 @ 20:00 - 23:30
(Spielfilm | Regie: Fritz Lang | D 1931 | 107 Min. | deu)
Wir schauen und diskutieren zusammen den Film „M“ von Fritz Lang aus dem Jahr 1931. Wir beginnen wie immer mit einer Einführung zum Film, diesmal durch den Filmwissenschaftler, Filmemacher und Publizisten Thomas Tode, im Anschluss wird es Gelegenheit zur Diskussion geben.
Unreflektierte Angst ist ein schlechter Ratgeber. Die aufgeklärte Entwicklung mündiger Persönlichkeiten und eines humanen Gemeinwesens erfordern die stete, rational-kritische, solidarische Erweiterung der kollektiven Handlungsfähigkeit. Das Heraufbeschwören diffuser Bedrohungsszenarien – ob mit realem Kern oder gänzlich konstruiert – ist hingegen ein beliebtes Herrschaftsinstrument zur Konservierung einer in Frage stehenden Ungleichheitsordnung. Wenn derlei Spuk in Krisenzeiten mit personifizierten Vorurteilsstrukturen gegen alles „Normabweichende“ und der Präsentation von Sündenböcken einhergeht, dann ist eine gefährliche gesellschaftliche Drift in Gang gesetzt, die dringend progressiv zu wenden ist.
Die weitsichtige Kritik und sozialpsychologische Analyse solcher Tendenzen ist es, die „M“ – 1931 von Fritz Lang auf künstlerisch einzigartige Weise inszeniert – zu einem hochaktuellen Klassiker der Filmkunst macht.
Gekonnt wird dabei mit den Erwartungshaltungen und Vorurteilsstrukturen eines verstockt-sicherheitsorientierten, kleinbürgerlichen Publikums gespielt. Was als scheinbar biederes Kriminaldrama beginnt, wandelt sich zunehmend in eine beißende Satire mit den spannungsreichen Wendungen eines Thrillers und kulminiert in einer Gerichtsszene, bei der es die „Justiz“ ist, die eigentlich auf der Anklagebank sitzt.
Ausgangspunkt ist eine Serie von Kindsmorden, die Berlin um 1930 in Unruhe versetzt. Der Zuschauer wird dabei Zeuge des mysteriösen Verschwindens der Kinder, der sich verdichtenden Indizien über den vermeintlichen Täter und der Tathergänge. Vor allem aber wird er Zeuge der zur Dingfestmachung des Täters in Gang gesetzten, öffentlichen Fahndungsaktivitäten der Sicherheitsbehörden und wie diese zum eigentlichen Quell der sich langsam bahnbrechenden Massenhysterie in der Bevölkerung werden.
Mit fadenscheinigen Methoden, über die Presse verbreiteten Mutmaßungen, Aufrufen zur Meldung verdächtiger Aktivitäten und willkürlichen Razzien wird ein Klima der allseitigen Überwachung geschaffen. Da dies auch die Geschäfte des organisierten Verbrechens empfindlich stört, entschließt sich dessen Führung, die Jagd nach dem „Mörder“ mit eigenen Mitteln zu betreiben und etabliert dafür ein umfassendes System des Spitzelwesens und Denunziantentums. Durch den orchestrierten Einbruch in ein leerstehendes Bürogebäude werden sie des Hauptverdächtigen, der mittlerweile aufgrund der vielzahligen Andeutungen auch dem Publikum als „der Täter“ gelten muss, habhaft.
Unter dem Druck eines Scheinprozesses des aufgebrachten Lynchmobs, der ihn von vornherein zum Tode verurteilt hat, gesteht der Überführte seine ausnehmend psychisch-derangierten Wahnvorstellungen ein, bittet um Gnade und verlangt nach einem fairen Prozess. In letzter Minute trifft die Staatsmacht ein. Der Ausgang bleibt auf gespenstische Weise offen.
So fällt der Vorhang und alle grundbürgerlichen Gewissheiten sind zutiefst erschüttert, denn der geneigte Zuschauer muss sich fragen, wer hier gerade welchen Verbrechens überführt wurde.
Die Täterschaft des Kindsmörders ist unbewiesen. Aber der biedere Sinn für Ordnung und Sicherheit hat geholfen, ein Verbrechensregime zu etablieren, das die Menschenverachtung zum systemischen Prinzip erklärt.
Der bewusst zweideutig gehaltene Arbeitstitel des Films lautete „Mörder unter uns“. Die Nazis verstanden, dass sie gemeint waren und ließen den Film später verbieten. Im aufgewühlten Kinopublikum der Weimarer Zeit löste er wildeste Diskussionen um die notwendigen Konsequenzen zur Weiterentwicklung des Rechtsstaats, zur Resozialisierung, zur Abschaffung der Todesstrafe und zum sozialkritischen Verständnis psychischer Leiden sowie zur Realisierung der Menschenwürde auf allen gesellschaftlichen Ebenen aus.
Aus diesem eindrucksvollen Plädoyer gegen jegliche Form der Vorverurteilung und des Irrationalismus ist für das heutige „Nie Wieder!“ akut streitbar zu lernen. Ausbeutung, Konkurrenz und Entfremdung sind nachhaltig zu überwindende Deformationen der humanen Vergesellschaftung. Das solidarische Engagement zur Schaffung allseitig menschenwürdiger Lebensbedingungen überwindet geschürte Verunsicherungen. Das menschliche Dasein ist global erfreulich zu gestalten. Jede:r ist dabei gefragt.
Brot, Frieden, Würde – jetzt! International solidarisch: Schluss mit Austerität.
„Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“
Bertolt Brecht, „Die Dreigroschenoper“, 1928.