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Filmseminar: Luft zum Atmen

14. Dezember 2022 @ 20:00 - 23:30

(Doku | Regie: J. Schellhagen | D 2019 | 70 Min. | deu)

– Beginn ab 20 Uhr –


Der Mensch ist durch Arbeit. Jedoch: Gute Arbeit fällt nicht vom Himmel. Tariflich gesicherte Beschäftigungsverhältnisse, lebensgrundlagen-sichernde Löhne, Arbeitsrechte wie Kündigungsschutz, bezahlter Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, geregelte und gesundheitsförderliche Arbeitszeiten und –bedingungen sowie demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten über Organisation und Inhalt der Arbeit sind Hervorbringungen langwieriger Kämpfe der organisierten Arbeiter:innenbewegung. Sie werden von Kapitalvertreter:innen und Unternehmensverbänden immer wieder in Frage gestellt und erlangen in Krisenzeiten – also der intensivierten Auseinandersetzung um die gesellschaftliche Verteilung von Ressourcen, Reichtum und Gestaltungsmöglichkeiten zwischen Oben und Unten – besondere Bedeutung. Daher lohnt ein Blick auf die jüngere Vergangenheit dieser Kämpfe, um zukunftsweisende Schlussfolgerungen für die menschenwürdige Veränderung der Gegenwart zu gewinnen.

Einen außerordentlich lehrreichen Blick dieser Art eröffnet der Dokumentarfilm „Luft zum Atmen“ über die Arbeit der „Gruppe oppositioneller Gewerkschafter“ (GoG).

Dieser Zusammenschluss von Arbeiter:innen des Opel-Werks in Bochum, eines der damals größten Produktionswerke von General Motors (GM) in Europa, hatte sich 1972 gegründet, um den in stellvertreterischer Verhandlungsroutine der Gewerkschaftsleitung erstarrten Arbeitskämpfen neues Leben einzuhauchen. In der bewussten Einheit von konsequent-solidarischer, betrieblicher Interessenvertretung und  gesellschaftlich-weitreichender Veränderungsambition entfaltete die GoG eine beispielgebende Aktivität mit emanzipatorischer Tiefenwirkung – in der Belegschaft und weit darüber hinaus.

Mit kontinuierlicher, egalitärer, politischer Bildungs- und Aufklärungsarbeit gelang es ihr nicht nur, die oftmals marginalisierten migrantischen Kolleg:innen gegen alle Spaltungsversuche der Konzernleitung in die gemeinsamen Auseinandersetzungen zu involvieren. Über Flugblattaktionen, politisierte Betriebsversammlungen und gezielte Kampagnen (u.a. gegen „Krankenverfolgungen“ und für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich) brachte sie in der gesamten Belegschaft einen Widerstandsgeist hervor, der die Opel-/GM-Chefs immer wieder zu weitreichenden Zugeständnissen zwang.

Als Betriebsräte gaben die GoG-Kolleg:innen geheime Informationen an die Belegschaft weiter, organisierten eigene Bildungsurlaube, tauschten dabei Erfahrungen mit Kolleg:innen weltweit aus und kämpften erfolgreich gegen Lohnverzicht, Outsourcing und die in den 1990er-Jahren forcierte Standort-Konkurrenz, indem sie auf eigene Faust internationale Solidaritätsdelegationen zu den GM-Belegschaften in Spanien und Großbritannien entsendeten.

Diese – vom Konzern, der Politik, den Medien und auch der Gewerkschaftsführung immer wieder sabotierte – Praxis kulminierte schließlich 2004 im bedeutsamsten wilden Streik der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte, als die gesamte Belegschaft aus Protest gegen die angedrohte Entlassung von 4000 Kolleg:innen sechs Tage lang das Bochumer Werk besetzte und damit die Produktion in ganz Europa lahmlegte.

Der Film lässt die Protagonist:innen dieser Kämpfe zu Wort kommen und dokumentiert damit höchst anschaulich und nahbar die Quellen und Hintergründe dieses verallgemeinerungswürdigen, persönlichen Engagements. Er ist zugleich in der Beleuchtung der über 40-jährigen Tätigkeit der GoG ein zeitgeschichtliches Dokument von unschätzbar aktuellem Aufklärungsgehalt über die Zusammenhänge, die Genese und die grundlegende Veränderungswürdigkeit der heutigen Arbeits- und Lebensverhältnisse. Das Bochumer Opel-Werk fiel 2014 dem Shareholder Value zum Opfer. Das bahnbrechende Engagement der GoG für die Herausbildung eines klassenspezifischen Selbstbewusstseins hat jedoch eine unzerstörbare, weit über den Tag hinaus wirkende Perspektive geschaffen. Gute Arbeit für Alle ist möglich. Es liegt an uns, sie zu erstreiten.

Darum: Brot, Frieden, Würde – jetzt! International solidarisch: Schluss mit Austerität.

„Me-Ti sagte: Wenn die kleinen kleinzügig sind, dann sind sie verloren. Zu sich und zu ihresgleichen müssen sie großzügig sein. Das lehrt die Arbeiter ihr Kampf.“
Bertolt Brecht, „Me-Ti. Buch der Wendungen“, entstanden im Exil der 1930er-Jahre.

 Den Flyer findet ihr hier auch als pdf.

Details

Datum:
14. Dezember 2022
Zeit:
20:00 - 23:30