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Filmseminar: Jakob der Lügner

Mai 15 @ 20:00 - 23:30

(Spielfilm | Regie:  Frank Beyer |  DDR 1974 | 100 Min. | deu)


Am 8. Mai vor 79 Jahren erzwang die Anti-Hitler-Koalition (Sowjetunion, USA, Großbritannien) die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht und beendete damit das mörderische Terrorregime des deutschen Faschismus. Mehr als 65 Millionen Menschen, darunter 27 Millionen Sowjetbürger:innen sowie mehr als 6 Millionen Jüdinnen und Juden fielen dem systematischen Vernichtungswillen des deutschen Großkapitals und seiner willfährigen politischen Handlanger zum Opfer. Die Befreiung war ein historischer Triumph der Humanität über die Barbarei. Sie gelang, weil sich überall auf dem Globus Menschen erhoben, um eine in Frieden geeinte Welt zu schaffen, die frei von Ausbeutung und Unterdrückung Allen gleichermaßen ein Leben in Würde und solidarischer Wohlentwicklung ermöglicht. Heute, da diese Geschichte im Namen von „Freiheit“, „Demokratie“ und einer abstrusen „Staatsräson“ umgeschrieben werden soll, um die Unterstützung zahlloser Kriegsverbrechen der israelischen Regierung und eine ungehemmte Remilitarisierung der deutschen Gesellschaft zu rechtfertigen, steht die tatsächliche Verwirklichung der mit der Befreiung verbundenen Hoffnungen umso dringlicher auf der globalen Tagesordnung.

Insofern ist auch neu zu beantworten, welche Lehren aus der deutschen Geschichte zu ziehen sind.

Der zutiefst antifaschistische Film „Jakob der Lügner“ leistet dazu einen gewichtigen Beitrag. 1974 in der DDR nach dem gleichnamigen Roman von Jurek Becker entstanden, der 8-jährig das Ghetto von Lodz sowie die KZ Ravensbrück und Sachsenhausen überlebte, verhandelt er die Frage, wie Menschlichkeit im Angesicht tiefster Inhumanität, wie Widerstand in einer scheinbar aussichtslosen Lage realisiert werden können.

Die an reale Geschehnisse angelehnte, fiktive Erzählung spielt in einem jüdischen Ghetto im faschistisch besetzten Polen des Jahres 1944. Der zu schweren Verladearbeiten am Güterbahnhof eingesetzte ehemalige Restaurantbetreiber Jakob erfährt durch glücklichen Zufall aus dem Radio der deutschen Revierswache, dass die Rote Armee bereits bis wenige Kilometer vor die nicht allzu weit entfernt liegende Stadt Bezanika herangerückt sei. Als am nächsten Tag der vor Hunger verzweifelte Mischa sich auf einen Kartoffeltransport der Nazis stürzen will, erzählt Jakob ihm die Nachricht, um ihn von der selbstmörderischen Tat abzuhalten. Da er Mischa die wahre Begebenheit im Revier nicht glaubhaft machen kann, erfindet Jakob, selbst über ein geheimes Radio zu verfügen. Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer unter den Ghetto-Bewohner:innen, die angesichts der allgegenwärtigen, endlos erscheinenden Qual der tagtäglichen Entmenschlichung nach jedem noch so kleinen Hoffnungsschimmer gieren. Die bohrenden Nachfragen und der Mangel an echten Informationen lassen ihn immer neue Nachrichten und Geschichten erfinden, auch weil Jakob sieht, wie die Aussicht der nahenden Befreiung die Lebensgeister der schon aufgegeben Habenden in völlig ungeahnter Weise neu weckt. Seit er seine Geschichten erzählt, ist die Selbstmordrate im Ghetto auf Null gesunken. Dass er es daher nicht übers Herz bringt, ihnen die Wahrheit über das Radio zu sagen, facht jedoch nicht nur Jakobs Erfindungsgeist und Wagemut an, sondern lässt auch unweigerlich seine Verzweiflung ins Unermessliche wachsen, da er sich mit jeder Deportation zunehmend dem Umstand stellen muss, dass seine Erfindungen eine reell begründete Zuversicht nicht ersetzen können.

Wie kann also diese Zuversicht in solcher Lage gebildet werden?

Der künstlerische Kniff des spannungsreich und ergreifend gestalteten Films besteht gerade darin, dass er dem rational-anteilnehmenden Zuschauer die möglichen Antworten in so augenscheinlicher Weise vorenthält, dass dieser kaum anders kann, als sie selbst zu entwickeln. Was streitbar ergründenswert bleibt, ist die Erkenntnis, dass eine humane Perspektive ohne Widerstand gegen die Barbarei ebenso undenkbar ist wie dieser Widerstand ohne eine humane Perspektive.

„Nie wieder!“ kann heute nur bedeuten, gemeinschaftlich für menschenwürdige Lebensbedingungen weltweit, für konsequent zivile Konfliktregulierung und die nachhaltige Beseitigung aller militärischen Gewaltmittel, für die gleiche, universelle Verwirklichung der unteilbaren Menschenrechte und eine solidarische Zivilisationsentwicklung zu kämpfen.

Dafür sollte der 8. Mai auch hierzulande endlich gesetzlicher Feiertag werden.

Brot, Frieden, Würde – jetzt! International solidarisch: Schluss mit Austerität.

 „Eine Unze Verstand, sagte Me-Ti, und der Mensch wird unverläßlich wie Flugsand. Zwei Unzen Verstand, und er wird verläßlich wie ein Fels.
Bertolt Brecht, „Me-Ti. Buch der Wendungen“, entstanden im Exil der 1930er-Jahre.

Den Flyer findet ihr hier als [pdf] zum download.

Details

Datum:
Mai 15
Zeit:
20:00 - 23:30
Veranstaltungskategorie:

Veranstaltungsort

Philturm
Von-Melle-Park 6
Hamburg, Hamburg 20146 Deutschland
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