Filmseminar: El brigadista
(Spielfilm | Regie: Octavio Cortázar | CU 1977 | 113 Min. | OmU)
Mit Bleistift und Zettel gegen Gewehre und Granaten? Die derzeit in den westlichen Gesellschaften grassierende „Logik“ der „Kriegsertüchtigung“ soll den Eindruck vermitteln, Gewalt, Ausbeutung, Konkurrenz und soziale Ungleichheit seien alternativlos. Das Gegenteil ist zutreffend und wird nicht zuletzt seit der Revolution 1959 durch das sozialistische Kuba tagtäglich bewiesen. Zu den eindrucksvollsten Belegen dieses Umstandes gehört die am 1. Januar 1961 gestartete Alphabetisierungskampagne des bis dahin über 400 Jahre lang in kolonialer Abhängigkeit und tiefster Unterentwicklung gehaltenen Landes. Auf Beschluss der Revolutionsregierung Fidel Castros erhielten alle Schüler:innen und Student:innen aus den größeren Städten ein Jahr lang unterrichtsfrei, wenn sie sich für diesen Zeitraum verpflichteten, aufs Land zu ziehen und der dort ansässigen Bevölkerung Lesen und Schreiben beizubringen. Über 100.000 Freiwillige der Brigada Conrado Benítez (der Jüngste war gerade 8 Jahre alt) senkten auf diese Weise nicht nur die Analphabetenrate von über 23% auf nahezu Null (die älteste „Schülerin“ war 102 Jahre alt). Sie vermittelten mit ihrer Aufklärungsmission zugleich die humanistischen Werte und Errungenschaften der Revolution bis in die entlegensten Winkel des Landes und hatten so entscheidenden Anteil an der Niederringung der im April 1961 von CIA, US-Armee und konterrevolutionären Großgrundbesitzern gestarteten Militärinvasion in der Schweinebucht.
Eines der lehrreichsten Dokumente dieser herausforderungsvollen Emanzipationskampagne bildet der 1977 von Octavio Cortázar veröffentlichte Spielfilm „El brigadista“.
In Maneadero Chiquito, einem entlegenen Köhlerdorf an der sumpfigen Südküste Kubas, in dem es zu Beginn des Jahres 1961 weder Elektrizität oder befestigte Straßen, noch sonst eine relevante Infrastruktur gibt, herrscht helle Aufregung. Mit der verkündeten Bildungskampagne soll erstmals ein Lehrer ins Dorf kommen. Alle erwarten eine staatliche Respektsperson, die alle Probleme des Dorflebens, insbesondere die zunehmenden Reibereien mit einigen Anhängern des enteigneten Landbesitzers, wird lösen können. Entsprechend enttäuscht und wütend ist der Dorfvorsteher Gonzalo zunächst, als er den 15-jährigen Mario, einen in seinen Augen „verzärtelten Grünschnabel“, in Empfang nehmen muss. Mario – tatsächlich ein leicht schreckhafter Junge aus gehobeneren Verhältnissen, aber von seiner revolutionären Mission überzeugt – gelingt es jedoch zunehmend, das Vertrauen und den Respekt der Dorfgemeinschaft zu erlangen. Die in vielen Gesprächen und Begegnungen reifende Einsicht, dass Bildung und Arbeit eine kämpferische Einheit zur gemeinsamen Souveränitätsgewinnung bilden, lässt alle Beteiligten über sich hinauswachsen. Im Lichte der blutigen Eskalation der konterrevolutionären Gewalt schließen Gonzalo und Mario schließlich einen entscheidenden Pakt: Gonzalo lässt sich von Mario unterrichten und Mario lernt von Gonzalo, seine Furcht zu überwinden. Auf diese Weise wird eine beispielgebende Freundschaft besiegelt, die letztlich ermöglicht, die Kontras zu entwaffnen und die Alphabetisierungskampagne zu einem Erfolg zu bringen, der mit allen gewonnenen Erfahrungen bis heute tief im Bewusstsein des kubanischen Volkes verankert ist.
Kuba gehört zu den wenigen Ländern weltweit, die – trotz der brutalen, völkerrechtswidrigen US-Blockade – alle Millenniumsziele der Vereinten Nationen im Bereich „Bildung“ erfüllt haben und ist auf vielen weiteren Gebieten ein ebenso leuchtendes Beispiel für die mögliche Verwirklichung einer zivilen, humanen und solidarischen Gesellschaftsentwicklung weltweit.
Der Film zeigt auf eindringliche Weise, warum und inwiefern das gelingen kann. Aufklärung und Emanzipation überwindet jegliche Gewalt. Wir können lernen.
International solidarisch – Schluss mit Austerität!
„Suche die Schule auf, Obdachloser!
Verschaffe dir Wissen, Frierender!
Hungriger, greif nach dem Buch:
Es ist eine Waffe.
Du mußt die Führung übernehmen.“
Bertolt Brecht, „Lob des Lernens“, 1932.