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Filmseminar: Die Sendung der Lysistrata

Juni 4 @ 20:00 - 23:30

(Fernsehspiel | Regie: Fritz Kortner | BRD 1961 | 108 Min. | deu)


Der Krieg hat – nach öffentlich-medialer Lesart – eine verblüffende Eigenschaft: keiner will ihn gewollt haben und trotzdem bricht er plötzlich aus. Weil er ohne duldende Beteiligung derjenigen, die unter ihm zu leiden haben, nicht geführt werden kann, muss er – auch mit kulturell-ideologischem Aufwand – vorbereitet werden. Dazu gehört, widerständige Bestrebungen nach Frieden, Abrüstung, ziviler Konfliktlösung und sozialer Wohlentwicklung als vorgestrig, verräterisch, verweichlichend und zersetzend zu brandmarken. Archaische, geschlechtsspezifische Rollenbilder fördern dabei die Behauptung, die „Kriegstauglichkeit“ sei die wahre Bestimmung des Menschen.

Das Gegenteil ist zutreffend. Gerade weil jedoch im „atomaren Zeitalter“ die Frage existentielle Bedeutung gewonnen hat, ob es endlich gelingt, die immensen geistigen und materiellen Ressourcen der Menschheit zu ihrer gedeihlichen Entfaltung produktiv zu machen, oder ob diese noch immer zu (selbst-)zerstörerischen Zwecken pervertiert werden können, ist das Bewusstsein über das tatsächlich „Menschliche“ historisch-kritisch zu substantiieren.

Kaum ein filmisches Werk eignet sich dazu so trefflich wie die 1961 unter Regie von Fritz Kortner für den NDR entstandene Adaption des antiken Lustspiels „Lysistrate“ von Aristophanes.

Das historische Bühnenstück, entstanden und uraufgeführt im Jahre 411 v.u.Z., zur Hochphase des 30 Jahre währenden Peloponnesischen Krieges, ist ein einzigartig scharfsinniger, humorvoller Verriss alles Kriegerischen in seinen vielfältigen Dimensionen.

Um den schon lange aussichtslos tobenden, immer zerstörerischer werdenden Krieg gegen das benachbarte Sparta zu beenden, ruft Lysistrate (dt.: die das Heer Auflösende) die Frauen des attischen Seebundes sowie Abgesandte ihrer spartanischen Leidensgenossinnen zu einer Versammlung. Ihr gemeinsam gefasster Plan besteht darin, die Männer solange im Bette zu bestreiken, bis sie zu einem Friedensschluss gekommen sind. Zudem besetzen sie die Staatskasse und fordern beim Obersten Rat politische Mitsprache bei der Gestaltung einer zukünftigen Friedensordnung ein. Da sie sich allen Vorurteilen, Versuchungen, Verunglimpfungen und Verfolgungen zum Trotz den kriegsverrohten Männern gegenüber als klüger, konsequenter, solidarischer und gewitzter erweisen, gelingt der Coup und die „Helden des Schlachtfelds“ müssen die Waffen strecken. Was sich als stark gerierte, ist der Lächerlichkeit preisgegeben.

Die Verfilmung bettet die ungemein aufklärerische Allegorie des Bühnenstücks zudem in eine zeitgenössische Rahmenhandlung des Jahres 1961 ein. Im wohlsituierten Hause der Salbachs versammeln sich vier (klein-)bürgerliche Ehepaare, um eine Aufführung des Stückes, in der die Gastgeberin als Hauptdarstellerin mitwirkt, im Fernsehen zu sehen. Ihr Mann hat als Chemiker für die Entwicklung eines Treibstoffs ein lukratives Angebot aus den USA erhalten, um diesen militärisch für die umstrittene, nukleare Bewaffnung der Bundesrepublik nutzbar zu machen. Er ist unschlüssig, ob er das Angebot annehmen soll. Die Schau des Stückes fördert die zutiefst divergierenden Überzeugungen und Wertvorstellungen der Beteiligten von erzkonservativ-ewiggestrig bis entschieden-aufklärerisch progressiv zu Tage und entfacht eine lebhafte Kontroverse um die aktuelle Relevanz, den Wert und die Überzeugenheit der grundlegend pazifistischen Botschaft des Stücks.

Die CDU-regierten Bundesländer protestierten 1961 gegen das Fernsehspiel mit der Begründung, die Komödie verletze das „sittliche Empfinden der Bevölkerung“. Der Bayrische Rundfunk boykottierte die Ausstrahlung gänzlich, da die „Verfechter einer Atomrüstung auf eine Weise karikiert“ würden, die „einfach unfair ist“.

Ein Grund mehr, sich den haltungsbildenden Hochgenuss dieses humoristischen Lehrstücks nicht entgehen zu lassen. Die „alten Griechen“ waren in vielerlei Hinsicht weiter als so manche selbsternannten Verfechter der „zivilisierten Welt“ heutzutage.

Der Frieden ist zu gewinnen, nicht der Krieg.

Darum: International solidarisch – Schluss mit Austerität!

RATSHERR:
So verlang‘ ich denn nun zu erfahren, bei Zeus, von euch Weibern die lautere Wahrheit:
Was bewog euch, sagt, zu verschließen die Burg und die Tore vor uns zu verrammeln?
LYSISTRATE:
Nur in Sicherheit brachten wir gerne das Geld, nicht verführen Euch soll es zum Kriege!
RATSHERR:
So? Ist denn das Geld Ursache des Kriegs?
LYSISTRATE:
Und die Ursach‘ aller Verwirrung!“
Aristophanes, „Lysistrate“, Zweite Szene, 411 v.u.Z.

Den Flyer findet ihr hier als [pdf] zum Download.

Details

Datum:
Juni 4
Zeit:
20:00 - 23:30
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