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Filmseminar: Die Ballade vom Soldaten
21. Juni 2023 @ 21:00 - 23:30
(Spielfilm | Regie: G. Tschuchrai | SU 1959 | 88 Min. | deu)
Vor genau 82 Jahren – am 22. Juni 1941 – begann die faschistische deutsche Wehrmacht ihren als „Unternehmen Barbarossa“ titulierten Vernichtungsfeldzug gegen die Völker der Sowjetunion. Es war der zweite Versuch des deutschen Militarismus, die Welt an seinem „Wesen genesen“ zu lassen und der Beginn des grausamsten Verbrechens in der Geschichte der Menschheit. Ihm fielen bis zur bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 weltweit mehr als 65 Millionen Menschen zum Opfer, darunter allein 27 Millionen Sowjetbürger:innen.
Die Befreiung von der faschistischen Barbarei wurde möglich, weil es auf Initiative der fortschrittlichsten Kräfte gelang, ein weltweites, weltanschauungs- und systemübergreifendes Zusammenwirken humanistisch-engagierter, antifaschistischer Kräfte in allen Ländern hervorzubringen – verbunden durch die Perspektive der gemeinsamen Schaffung einer neuen Weltordnung des nachhaltigen, dauerhaften Friedens und der souveränen, sozial-progressiven Entwicklung aller Staaten und Bevölkerungen. Diese Bestrebungen fanden ihren nachhaltigsten Niederschlag in der Gründung der Vereinten Nationen mit ihren völker- und menschenrechtlichen Grundakten, die vom Gebot der Überwindung jedweder Form von Gewaltanwendung in den inner- und zwischenstaatlichen Beziehungen ausgehen.
Da allerdings immer wieder bundesdeutsche Außenpolitiker:innen in geradezu revanchistischer Manier die historische Befreiung als Begründung für eine neue militaristische Aufrüstungs- und Kriegspolitik umzudeuten versuchen und sich dafür offenbar gern mit den damaligen „Siegern“ identifizieren, indem sie „Putin“-Russland bedenkenlos mit „Hitler“-Deutschland gleichsetzen, lohnt es sich besonders, einen genaueren Blick auf die geschichtliche Verarbeitung des Zweiten Weltkriegs in der Sowjetunion zu werfen.
Das macht den in der Tauwetter-Periode der späten 50er-Jahre entstandenen Film „Die Ballade vom Soldaten“ heute so außerordentlich sehenswert. Er tritt der noch zu Stalins Zeiten vorherrschenden Glorifizierung der militärischen Befreiung entgegen und zeichnet ein geradezu anti-heroisches Bild des sowjetischen Soldaten im Ringen um Humanität und die Beendigung des Krieges.
Dies geschieht anhand der Erlebnisse des 19-jährigen Rotarmisten Aljoscha Skworzow auf seiner Zugreise quer durch Russland. Schon erzählerisch bewegt sich das Geschehen nicht zur Front hin, sondern von ihr weg. Aljoscha hat für eine mutige Verteidigungsaktion gegen die vorrückenden Deutschen sechs Tage Urlaub aushandeln können. Er will in sein kaukasisches Heimatdorf fahren, um das kaputte Hausdach seiner Mutter zu reparieren, von der er sich nicht verabschieden konnte, als er eingezogen wurde. Auf dieser Fahrt enthüllen sich nach und nach in typischen Begegnungen und Begebenheiten all jene tiefgreifend schädlichen Auswirkungen des Krieges, die nicht zum klassischen Heldenmythos passen. Der kriegsversehrte Kamerad, der sich ob seines „Versagens“ nicht traut, ins Zivilleben zurückzukehren; der kleine Zugaufseher, der – gestützt auf die scheinbar strenge Autorität – aus seinem Posten einen Vorteil für windige Geschäfte zu ziehen versucht; das sich vor Übergriffen fürchtende Mädchen, das jeden menschlichen Kontakt tief misstrauisch zu meiden versucht; die Frau in der Heimat, die ihrem Mann an der Front nicht wie erwartet die Treue hält; und schließlich die unerwartete Bombardierung des Zuges fern ab der Front im tiefen Hinterland – sie alle versinnbildlichen: auch in diesem Krieg gibt es keine Sieger. Der Krieg selbst ist bereits die Niederlage.
Aus dem kurzen Wiedersehen mit der Mutter, bevor Aljoscha zurück muss an die Front, resultiert daher ein unübersehbar eindringliches, hoch aktuelles Plädoyer: die Arbeit zur Heilung angerichteter Schäden und zum Aufbau einer wahrhaft menschenwürdigen Welt ist die vordringlichste, alles entscheidende, gemeinsame Aufgabe der Menschen in aller Welt.
Der Krieg ist die gravierendste Verneinung aller tagtäglichen Bemühungen in diesem Sinne. Er ist deshalb nachdrücklich und unwiederbringlich aus dem Rahmen der Möglichkeiten gesellschaftlichen Handelns zu tilgen. Das ist die einzig sinnvolle Lehre aus der Befreiung 1945.
Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!
Darum: Brot, Frieden, Würde – jetzt! International solidarisch: Schluss mit Austerität.
„Das große Carthago führte drei Kriege. Es war noch mächtig nach dem ersten, noch bewohnbar nach dem zweiten. Es war nicht mehr auffindbar nach dem dritten.“
Bertolt Brecht, „Offener Brief an die deutschen Künstler und Schriftsteller“, 26. September 1951.