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Filmseminar: Das Schweigen der Quandts
2. November 2022 @ 20:00 - 23:30
(Doku | Regie: E. Fiedler | D 2007 | 90 Min. | deu)
– Beginn ab 20 Uhr –
Reichtum an sich ist noch kein Verbrechen. In einer Gesellschaft jedoch, die nach dem Marktprinzip und dessen Leitmotiv der ausschaltenden Konkurrenz eingerichtet ist (Recht des Stärkeren, soziale Ungleichheit und stete Tendenz zur Monopolbildung) – was manche „Freiheit“ nennen und mit dem Sparduschkopf oder der Waffe in der Hand verteidigt wissen wollen –, gibt es keine größeren Vermögenswerte, deren private Aneignung nicht mindestens auf höchst fragwürdige Weise zustande gekommen ist.
Die Geschichte der Familie Quandt steht geradezu beispielhaft für diese Tatsache. Die beiden Quandt-Erben Susanne Klatten und Stefan Quandt sind laut ManagerMagazin mit einem geschätzten Privatvermögen von über 33 Milliarden Euro die aktuell drittreichsten Deutschen. Zu ihren Firmenbeteiligungen gehören u.a. der Autohersteller BMW, der Chemie- und Pharmariese ALTANA, der Batteriehersteller VARTA sowie der Industriemaschinen-Fabrikant IWKA, dessen langjährig bestehende Rüstungssparte 1999 von Rheinmetall übernommen wurde.
Während die Armutsquote aufgrund von Preissteigerungen, Energiekrise und Firmenpleiten auf ein Rekordhoch von 16,6% angewachsen ist, verzeichnet BMW aktuell die höchsten Gewinne seiner Konzerngeschichte.
Wie die akribisch recherchierte und preisgekrönte Dokumentation Friedlers eindrucksvoll zeigt, kam dieser Quandtsche Familienbesitz nicht auf wundersame Weise zustande, sondern ist aufs Engste mit dem deutschen Faschismus verbunden.
Der Patriarch und Tuchfabrikant Günter Quandt, dessen „Reichswolle AG“ schon im Ersten Weltkrieg Hauptlieferant der deutschen Armee war, sicherte sich durch seinen Posten im Reichswirtschaftsministerium und geschickte Spekulation bereits 1922 den Besitz der AFA-Werke (Batterien) und 1928 der Berlin-Karlsruher Industriewerke AG (Rüstung) – und damit Produktionseinheiten in zwei Bereichen von zentraler Bedeutung für die deutsche Kriegswirtschaft. Über die gemeinsame Tochter seiner ab 1929 mit Joseph Goebbels verheirateten Ex-Frau Magda Ritschel erlangte er direkten Zugang zur Führungsriege der NSDAP, wurde nach der Machtübertragung 1933 zu deren wichtigstem Rüstungslieferanten und 1937 zum Wehrwirtschaftsführer – einer Stellung mit höchstem Einfluss auf die faschistische Rüstungs- und Kriegspolitik. Spätestens ab Kriegsbeginn profitierte er auch direkt von den Verbrechen der Nazis. Die SS besorgte den Wachschutz im firmeneigenen Konzentrationslager der AFA-Werke in Hannover-Stöcken. Sie half bei der „Rekrutierung“ von Zwangsarbeitern aus Kriegsgefangenenlagern und KZ zum meist tödlich endenden Einsatz in den Betriebsstätten der AFA und bei der Einverleibung von eroberten ausländischen Produktionsstätten in den Firmenbesitz.
Da insbesondere die britische Besatzungsmacht nach 1945 die Batterie- und Rüstungsproduktion der AFA als zweckdienlich im dann beginnenden Kalten Krieg ansah, ging der so angehäufte Vermögensbesitz, von allen Entnazifizierungsbemühungen weitestgehend unbehelligt, an die Söhne Harald und Herbert Quandt über. Diese spielten mit der Rüstungsproduktion eine zentrale Rolle für die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik ab1956 und konnten dann mit ihrem Einkauf bei BMW im Zuge des sog. „Wirtschaftswunders“ den Fortbestand des Familienerbes bis in die heutige Zeit sicherstellen.
Mit dieser filmisch eindrucksvoll aufgearbeiteten Geschichte ist ein verallgemeinerbares Beispiel dafür gegeben, dass die Umverteilung privat angeeigneten Reichtums zum Wohle Aller nicht nur ein Gebot sozialer Gerechtigkeit darstellt, sondern zugleich einem grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungserfordernis entspricht. Zu den wesentlichen Erkenntnissen nach 1945 gehörte die Einsicht in die Notwendigkeit, Voraussetzungen zu schaffen für die bewusst-planvolle, demokratische Verfügung Aller über die gemeinsamen Lebensbedingungen zu ihrer solidarisch-menschenwürdigen Gestaltung. Dieses Erfordernis fand nicht zuletzt mit Artikel 14 (Allgemeinwohlverpflichtung des Eigentums) und 15 (Vergesellschaftung von Produktionsmitteln) auch Einzug ins Grundgesetz. Seine Verwirklichung steht noch immer aus und heute mehr denn je auf der gesellschaftlichen Tagesordnung. Brot, Frieden, Würde – jetzt! International solidarisch: Schluss mit Austerität.
„Ihren Namen auszusprechen
Dürfen wir uns nicht erfrechen –
Hängen würden wir sie gern.
Doch sie sind so große Herrn,
Philanthropen, Ehrenmänner,
Manche sind auch unsre Gönner,
Und man macht aus deutschen Eichen
Keine Galgen für die Reichen.“
Heinrich Heine, „Zur Teleologie“, 1855.