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Filmseminar: Das Leben ist ein Wunder
16. August 2023 @ 21:00 - 23:30
Im Rahmen der Kampagne „International solidarisch – Schluss mit Austerität!“ findet das „Filmseminar gegen Austerität“ am Philosophenturm der Uni Hamburg statt. Mit Filmen rund um das Thema Austerität vs. Solidarität werden die internationale, kulturelle und historische Bedeutung des Bruchs mit dem Neoliberalismus reflektiert.
Bei der nächsten Vorstellung am Mittwoch, den 16. August 2023, ab 21 Uhr schauen und diskutieren wir zusammen den Spielfilm „Das Leben ist ein Wunder“ von Emir Kusturica aus dem Jahr 2004. Wir beginnen wie immer mit einer kurzen Einführung zum Film und im Anschluss wird es wieder Gelegenheit zur Diskussion geben. Bei schlechtem Wetter weichen wir in den Hörsaal der Erziehungswissenschaft aus (Anna-Siemsen-Hörsaal, Von-Melle-Park 8).
Die Veranstaltung wird finanziell unterstützt vom Kirchlichen Entwicklungsdienst der Nordkirche: www.ked-nordkirche.de
Näheres zum Film:
Das Leben ist ein Wunder
(Spielfilm | Regie: Emir Kusturica | SRB/F 2004 | 154 Min. | deu)
Gewalt ist keine der Natur des Menschen innewohnende Handlungsweise. Sie hat erkennbare und überwindbare gesellschaftliche Ursachen. Zu meinen, ihr sei nur mit Gewalt adäquat zu begegnen, folgt einem archaischen Reflex, der alle kulturellen, intellektuellen und materiellen Errungenschaften mehrerer Jahrtausende Zivilisationsentwicklung (u.a. Antike, Renaissance, Aufklärung) negiert. Solch rückwärtsgewandte „Denkmuster“ erfuhren global eine Neubelebung mit der interessegeleiteten Zerstörung der sozialistischen Gesellschaften nach 1990. Die Welt wurde dadurch nicht friedlicher.
Am furchtbarsten traf dies die Bevölkerung des ehemaligen Jugoslawien. Aus geopolitischem Vorrangstreben und ökonomischen Profitinteressen forcierte insbesondere die bundesdeutsche Regierung Separationsbestrebungen in den slowenischen, kroatischen und bosnischen Teilrepubliken und schürte damit gezielt nationalistische Ressentiments, Hass und Gewalt unter den vormals im antifaschistisch gegründeten Vielvölkerstaat leidlich gleichberechtigt, prosperierend und freundschaftlich zusammenlebenden Bevölkerungsgruppen.
Dieses Gift der Verhetzung, das Nachbarn zu Todfeinden machte und die Region seit 1992 in immer wieder eskalierende, verheerende Kriege stürzte, bildet den zentralen Gegenstand der Kritik des 2004 erschienenen, filmischen Meisterwerks „Das Leben ist ein Wunder“ des bosnisch-serbischen Regisseurs Emir Kusturica.
Der Ingenieur Luka ist mit seiner Familie in die bergige Grenzregion bei Višegrad gezogen, um mit dem Bau einer Bahnverbindung zwischen Serbien und Bosnien den Tourismus und die wirtschaftliche Entwicklung in der dörflichen Gegend zu beleben. Dabei wird er jedoch Zeuge, wie die Eigentümlichkeiten der Bewohnerschaft unter dem Einfluss korrupter Beamter aus der Zentralverwaltung zunehmend in skurrile Abschottung, Egoismus, Angst und Aggressivität übergehen. Als schließlich der Krieg, den keiner gewollt hat, ausbricht, Sohn Miloš widerwillig zur Armee eingezogen wird und seine Frau Jadranka sich daraufhin in psychiatrische Behandlung begibt, ist Luka der einzige, der immer noch verzweifelt an die Möglichkeit einer besseren, friedlichen Zukunft glauben will.
Diese Hoffnung, verkörpert in der bosnisch-muslimischen Krankenpflegerin Sabaha, die ihm zunächst von der Armee überantwortet wird als Kriegsgefangene für einen möglichen Austausch gegen seinen ebenfalls gefangen genommenen Sohn, beginnt Luka, in einer Art Hassliebe zu hegen und zu pflegen, wie seinen Augapfel. Durch alle menschlichen Abgründe und Wirren des Krieges gelingt es ihm, Sabaha am Leben zu halten. Er muss sie, schwer gezeichnet, der UN übergeben, um seinen Sohn wiedersehen zu können. Dennoch obsiegt letztlich die in schweren Kämpfen neu errungene Perspektive einer grenzüberschreitenden Humanität über die Verheerungen von Hass, Gewalt, Tod und Zerstörung.
Der von skurrilen Szenarien, reichhaltiger Symbolik, irrem Witz, furioser Musik und grotesken Charakteren nur so strotzende Film ist ein auf die Leinwand gebanntes Feuerwerk als Liebeserklärung an die Menschen und das Leben selbst – in all ihren Unzulänglichkeiten und notwendig zu entfaltenden Möglichkeiten. Ein ausdrucksstärkeres Kontra zur Fatalität des Krieges und der abgrundtiefen Misanthropie all jener, die ihn für alternativlos erklären, lässt sich kaum denken. Filme wie dieser lassen erahnen, zu welchen kulturellen Hervorbringungen die Menschheit im Stande sein kann, wenn sie lernt, die richtigen Lehren aus ihrer Geschichte zu ziehen.
Ein mitreißendes Plädoyer für die beherzte Gestaltung universell-menschenfreundlicher Lebensverhältnisse. Ein Fest mit Sinn und Verstand für die stets neu und kreativ-erweiternd zu verwirklichende Potentialität des menschlichen Daseins.
Brot, Frieden, Würde – jetzt! International solidarisch: Schluss mit Austerität.
„Me-Ti sagte: Wer keine Freude am Lebendigen hat, wird keine Freude am Leben haben.“
(Bertolt Brecht, „Me-Ti. Buch der Wendungen“, entstanden im Exil der 1930er Jahre.