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Filmseminar: Control Room
April 24 @ 20:00 - 23:30
(Doku | Regie: Jehane Noujaim | USA/QTR 2004 | 100 Min. | OmU)
Wen ernsthaft die Frage bewegt, wie im „Nahen und Mittleren Osten“ nachhaltig Frieden geschaffen werden kann, darf von der Rolle des selbsternannten „Wertewestens“ in der Region nicht schweigen. Diese ist seit Jahrhunderten geprägt von Unwissen, Heuchelei, kultureller Arroganz, kolonialem Chauvinismus, geopolitischer Skrupellosigkeit und roher, willkürlicher militärischer Gewalt. Seit dem Putsch gegen den gewählten iranischen Präsidenten Mohammad Mossadegh (1953) wurde jedes Regime, das auch nur in Ansätzen eine säkular orientierte, eigenständige Entwicklung möglich erscheinen ließ, früher oder später mithilfe westlicher Geheimdienste und oder Militärs beseitigt. Den Tiefpunkt der jüngeren Vergangenheit bildete der 2003 begonnene, völkerrechtswidrige Angriffskrieg der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak, dem mehr als eine Million Zivilist:innen zum Opfer fielen.
Wie in jedem Krieg spielte auch in diesem die Auseinandersetzung um die mediale Deutung des Geschehens eine zentrale Rolle. Sie gewann jedoch eine neue Qualität, die zugleich ein grelles Licht wirft auf die Bedeutung engagierter Wahrheitsfindung, freier Debatte, öffentlicher Meinungsbildung und internationaler Verständigung für die Beendigung auch der heute virulenten Konflikte.
Mit dem eindrucksvollen Film „Control Room“ dokumentierte die libanesisch-stämmige US-Regisseurin Jehane Noujaim genau diese brisante Auseinandersetzung, indem sie über mehrere Wochen das internationale Team des TV-Senders Al-Jazeera bei seiner Arbeit der Kriegsberichterstattung im Presse-Hauptquartier des CentCom („Central Command“) der US-Streitkräfte im katarischen Doha begleitete.
Diese Arbeit ist ein unermüdlicher Kampf für die Humanität. Die Korrespondent:innen, Redakteure, Übersetzer:innen und Techniker:innen des vom katarischen Staatsfonds geförderten privaten Nachrichtensenders, der 1996 aus der ehemaligen arabischen Abteilung der BBC hervorging und zur meistgesehenen Anstalt in der arabischen Welt avancierte, begreifen ihre Tätigkeit parteiisch im Sinne einer zivilen, aufgeklärten, demokratischen Entwicklung und sind deswegen in besonderer Weise um Objektivität in der Berichterstattung bemüht. Sie zeigen die von allen anderen Stationen verschwiegene Seite des Krieges: seine katastrophalen Folgen für die Zivilbevölkerung. Sofort geraten sie deswegen unter die Anklage der US-Administration, die arabische Welt gegen den Westen aufzuwiegeln. Zugleich dokumentieren, übersetzen und analysieren sie Reden und Lageeinschätzungen der US-Führung und müssen sich dafür vom irakischen Regime und fundamentalistischen Kräften den Vorwurf der Kollaboration mit den US-Invasoren gefallen lassen. Als Verfechter:innen aufklärerischer Werte treten sie für einen notwendigen emanzipatorischen Aufbruch der arabischen Bevölkerungsmehrheit gegen ihre korrupten Herrscher ein und verwehren sich daher gegen jede Einmischung des Westens. Tief bewegt und involviert streiten sie über den Sinn ihrer Arbeit und versuchen, den Kolleg:innen des US-Pressestabs die verheerenden Auswirkungen der Kriegshandlungen auf die Wahrnehmung des Westens in der arabischen Welt begreiflich zu machen. Auch die gezielte Bombardierung des Al-Jazeera-Büros in Bagdad, mit dem die US-Armee die mediale Inszenierung ihrer Besetzung der irakischen Hauptstadt als „Befreiung“ sicherstellen will, und bei der der wichtigste Irak-Korrespondent des Senders ermordet wird, lässt sie von diesem Auftrag nicht Abstand nehmen.
Der tiefe persönliche Einsichten gewährende Film zeigt mit seiner nüchternen Darstellung dieser Auseinandersetzung beispielgebend auf, wie es tatsächlich um „Freiheit, Demokratie und Menschenrechte“ in der Welt bestellt ist, wenn in ihrem Namen Krieg geführt wird. Er ist zudem ein unverzichtbares Plädoyer für die friedensstiftende Bedeutung kämpferischer Humanität, streitbarer Meinungsbildung und empathisch-kritischer Völkerverständigung über alle Grenzen und tief-verankerten Vorurteilsstrukturen hinweg. Couragierte Vernunft, wie sie die Welt dringend braucht.
Der Wahrheit die Ehre: Brot, Frieden, Würde – jetzt! International solidarisch: Schluss mit Austerität.
„Me-Ti wurde gefragt: Wie könnt ihr verlangen, daß jemand zugleich objektiv und parteiisch sei? Me-Ti antwortete: Wenn die Partei objektiv das Richtige ist, besteht kein Unterschied mehr zwischen objektiv und parteiisch.“
Bertolt Brecht, „Me-Ti. Buch der Wendungen“, entstanden im Exil der 1930er-Jahre.