Filmseminar: Busch singt
(Doku | Regie: Konrad Wolf | DDR 1982 | 124 Min. | deu)
Wehrpflicht, Arbeitsdienst, enthemmte militärische Aufrüstung, rassistische Gesetzgebung und forcierte Verfolgung von „Andersdenkenden“ – mit diesen Maßnahmen des Jahres 1935 ebnete das faschistische Deutschland den Weg für den Beginn von Weltkrieg und Massenvernichtung vier Jahre später. Wenn die Geschichte auf diese Weise lebendig wird, gewinnt auch das Lernen aus der Geschichte vitale gegenwärtige Bedeutung – insbesondere aus der Geschichte des Widerstands, des Ringens um Humanität für eine Welt ohne Ausbeutung, Krieg, Gewalt und Elend und des Gelingens der Befreiung 1945.
Einen der eindrucksvollsten Versuche, eine lehrreiche Chronik dieses widerständigen Wirkens auf die Leinwand zu bannen, stellt der Fragment gebliebene, sechsteilige Dokumentarfilm „Busch singt“ von Konrad Wolf aus dem Jahre 1982 dar.
Der 1925 geborene Regisseur Wolf, Präsident der Akademie der Künste der DDR von 1965-1982, jüngster Sohn einer jüdisch-deutschen Familie, die als Kommunisten 1933 nach Moskau emigriert war, wuchs mit den Liedern Ernst Buschs auf. Als freiwilliger Rotarmist war er 19-jährig an der Befreiung Berlins beteiligt. Sein Aufklärungsbataillon spielte an der Front über Lautsprecher u.a. auch Buschs Lieder und bewegte auf diese Weise zahllose deutsche Wehrmachtssoldaten zum Strecken der Waffen. Mit dem Film würdigt er das beispielgebende Lebenswerk seines späteren engen Freundes und Weggefährten, des 1900 in Kiel geborenen Sängers, Schauspielers und Antifaschisten Ernst Busch, der zur selben Zeit (Ende April 1945) – gerade aus faschistischer Haft im Zuchthaus Brandenburg befreit – ebenfalls auf dem Weg nach Berlin gewesen war.
Busch trat, als Maurersohn aus ärmlichen Verhältnissen, 1916 der Sozialistischen Arbeiterjugend, später unter dem Eindruck des Matrosenaufstands der USPD und folgend der KPD bei. Mit einjährigem Gesangs- und Schauspielunterricht ausgestattet, wurde er ab 1927 durch den Kreis um die Erwin Piscator in Berlin zur Stimme der proletarisch-revolutionären Bühnenkunst. Seine ausdrucksstarken, bewegenden Interpretationen der Werke von Brecht, Eisler, Tucholsky, Mühsam, Weinert, Kästner, u.v.m. bildeten das Lebenselixir und entscheidenden Quell der Zuversicht für zahllose Widerständler:innen gegen Faschismus und Krieg in aller Welt. Auf Seiten der Volksfront gegen die Franco-Diktatur dichterisch kämpfend, wurde Busch selbst 1940 in Frankreich interniert und der Gestapo überstellt. Angeklagt wegen „Hochverrats“ und bereits mehrfach totgesagt intonierte er vor den NS-Justizschergen das Lied von den „Moorsoldaten“ und überlebte die anschließende Zuchthaushaft.
Die bewegte Lebensgeschichte Ernst Buschs steht geradezu beispielhaft für die befreiende Wirkung einer revolutionären Menschenliebe, die im künstlerischen Schaffen als persönliche Haltung einen universellen, kämpferischen Ausdruck findet.
Das unermesslich bedeutsame Verdienst des Films von Konrad Wolf, der im Freund Busch Seinesgleichen erkannte, ist es, diese Wirkungsweise lebendig zur Anschauung zu bringen und seine überzeitliche Aktualität auf diese Weise begreiflich und aneigenbar zu machen.
Dieses kulturelle Erbe des bereits errungenen Siegs der Humanität über die Barbarei ist Auftrag und Ermöglichung zugleich.
„Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“ bedeutet nicht zuletzt eben auch, sich mit der ganzen Person bewusst in die Geschichte zu stellen und im Verbund mit Seinesgleichen für die globale Entfaltung des Humanen in seiner schönsten Gestalt leidenschaftlich zu streiten.
Die Kunst ist dabei der entscheidende Beweger, gänzlich und unumkehrbar von der allzu gegenwärtigen Vergangenheit zu scheiden. Der Mensch sei dem Menschen ein Freund, immerzu.
International solidarisch – Schluss mit Austerität!
„Wo er sich zu Tisch setzt
Setzt sich die Unzufriedenheit zu Tisch
Das Essen wird schlecht
Und als eng wird erkannt die Kammer.
Wohin sie ihn jagen, dorthin
Geht der Aufruhr, und wo er verjagt ist
Bleibt die Unruhe doch.“
Bertolt Brecht, „Lob des Revolutionärs“, 1932.