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Filmseminar: Brüder

Oktober 16 @ 20:00 - 23:30

(Stummfilm | Regie: Werner Hochbaum | D 1929 | 84 Min. | deu)

Wir freuen uns, dass Malte Klingforth, als Hafenarbeiter und Mitglied vom ver.di Fachvorstand „Maritime Wirtschaft“, die Einführung in den Film übernimmt und im Anschluss mit uns diskutieren wird. 


Der Hafen bildet seit über 800 Jahren die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Lebensader der Freien und Hansestadt Hamburg. Die Frage, ob seine Entwicklung den Profitinteressen der immer dreister auftretenden, international agierenden Monopolkonzerne wie der Schweizer Reederei MSC ausgeliefert wird, oder zum Wohle der Allgemeinheit von öffentlicher Hand demokratisch bestimmt wird, ist eine wegweisende gesellschaftliche Richtungsentscheidung von globaler Bedeutung. Frieden, zivile internationale Kooperation, eine solidarisch-nachhaltige Entwicklung der Weltwirtschaft, der Ausbau der öffentlichen, sozialen Infrastruktur, höhere Löhne, tariflich gesicherte Beschäftigungsverhältnisse, betriebliche Mitbestimmung über Sinn, Inhalt und Bedingungen der Arbeit – all dies sind zivilisatorische Erfordernisse der Krisenbewältigung. Deren Realisierung hängt entschieden davon ab, inwieweit der übergroßen Mehrzahl der Bevölkerung gelingt, die zunehmend planerisch-gestaltende, bewusst-entwickelte, demokratisch-organisierte Kontrolle über den gesellschaftlichen Produktionsprozess zu erlangen. Insofern gehen die Arbeitskämpfe um den Hamburger Hafen Alle an. Dabei sollte aus den historischen Erfahrungen dieser Auseinandersetzung für heute nachhaltig gelernt werden.

Einen gewichtigen Beitrag dazu leistet der 1929 zur Hochphase der Weltwirtschaftskrise veröffentlichte Stummfilm „Brüder“, in dem Werner Hochbaum mit proletarischen Laiendarsteller:innen den großen Hamburger Hafenarbeiterstreik von 1896/97 erstmals für ein Millionenpublikum zugänglich auf die Leinwand brachte.

Der Protagonist, ein sog. Schauermann, lebt mit Mutter, (kränkelnder) Frau und Kind, in den beengten, ärmlichen Wohnbaracken des Gängeviertels, in dem noch wenige Jahre zuvor die Cholera verheerend gewütet hatte. Jeden Morgen steht er um 5 Uhr auf, um mit Tausenden anderen Tagelöhnern die reichhaltig begüterten Frachtschiffe im Hafen zu be- und entladen. Die Arbeitsbedingungen sind mörderisch. Der karge Lohn reicht kaum zum Überleben. Während der Schichten, die teilweise 36 Stunden dauern, brechen in der winterlichen Kälte immer wieder frisch eingestellte Arbeiter unter den Tragelasten vor Erschöpfung zusammen. Die Forderungen nach Lohnerhöhung, Schichtverkürzung, festen Anstellungsverhältnissen und Arbeitssicherheit werden von der Hafenleitung brüsk zurückgewiesen, die ihre Gewinne lieber in die Vergrößerung der Hafenanlagen investieren will. Trotz Bedenken der legalistisch orientierten Gewerkschaftsführung entschließen sich die Schauerleute zum Streik, dem sich alsbald auch Maschinisten, Seeleute, Schiffsreiniger und alle weiteren Hafenbeschäftigten anschließen. Die Vereinigung der Reeder befürchtet einen allgemeinen Umsturz und ruft die kaiserliche Reichsregierung zu Hilfe. Der Hamburgische Senat billigt den brutalen Polizeieinsatz zur Niederschlagung des Aufstands. So erfasst der Klassenkonflikt zunehmend die gesamte Hamburger Bevölkerung. Ein Jeder muss sich entscheiden, auf welcher Seite er stehen will. So auch der biedersinnige Bruder des Protagonisten, der beflissen seinen Dienst bei der preußischen Staatsmacht verrichtet. Die internationale Solidarität der Arbeiterschaft bewegt ihn schließlich zum Einlenken. Für den Streik insgesamt kommt diese Läuterung allerdings zu spät. Er geht nach 11 Wochen entbehrungsreicher Auseinandersetzungen zunächst verloren.

Der Film vermittelt jedoch eindrücklich, welche weit darüber hinausweisende, fundamentale Erkenntnis von historisch-aktueller Tragweite durch ihn gewonnen ist: mit ihrem unbeugsamen Kampf um Würde, Recht und die kollektive Gestaltung humaner Arbeits- und Lebensbedingungen hat die streikende Arbeiterschaft Abertausenden neuen Mut zum grundlegend solidarischen Veränderungswirken gegeben. Das historische Selbstbewusstsein einer organisierten Bevölkerung, die ihre gesellschaftlichen Geschicke beginnt, in die eigenen Hände zu nehmen, ist auf Dauer unbezwingbar.

Das gilt heute mehr denn je. Der Kampf um die Rückgewinnung des Hamburger Hafens hat gerade erst begonnen. Die globale Humanisierung der Zivilisationsentwicklung ist eine gemeinsame Angelegenheit der Vielen. Aufrechter Gang weitet den Horizont.

Brot, Frieden, Würde – jetzt! International solidarisch: Schluss mit Austerität.

Wer nicht fähig ist, über ein privates Unrecht, das ihm geschehen ist, zornig zu werden, der wird schwer kämpfen können. Wer nicht fähig ist, über andern angetanes Unrecht zornig zu werden, der wird nicht für die Große Ordnungkämpfen können. Und der Zorn muß kein schnell aufflackernder, ohnmächtiger sein, sondern ein langdauernder, der die rechten Mittel zu wählen weiß.
Bertolt Brecht, „Me-Ti. Buch der Wendungen“, entstanden im Exil der 1930er Jahre.

Den Flyer findet ihr demnächst als [pdf] zum download. 

Details

Datum:
Oktober 16
Zeit:
20:00 - 23:30
Veranstaltungskategorie:

Veranstaltungsort

Philturm
Von-Melle-Park 6
Hamburg, Hamburg 20146 Deutschland
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