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Erklärt Pereira
19. Juni 2019 @ 21:00 - 23:30
(Spielfilm | Regie: Roberto Faenza | ITA/Portugal 1995 |103 Min. | deu.)
Portugal, 1938: Das Militärregime von António Salazar hat mit dem „Estado Novo“ einen drückenden Ordnungsstaat geschaffen. Ruhe ist erste Bürgerpflicht. Nation, Familie, Religion und Eigentum dürfen nicht in Frage gestellt werden. Das Regime unterstützt die faschistischen Truppen Francos im spanischen „Bürgerkrieg“. Im öffentlichen Leben hat Politik nichts zu suchen. Wer dem zuwider handelt, wird gnadenlos verfolgt.
Mit Widerstand hat Pereira, altersmüder Kulturredakteur einer kleinen Lissaboner Zeitung (wunderbar gespielt von Marcello Mastroianni), auch gar nichts am Hut. Er hat sein Auskommen, schreibt Nachrufe für verstorbene Literaten und übersetzt ausländische Dichter, geht mittags in ein Café um Omelette zu essen und Limonade zu trinken, besucht regelmäßig die Kirche, spricht mit seiner verstorbenen Frau und ergeht sich ansonsten in abstrakten, düsteren Gedanken. Mit der realen Welt hat er weitgehend abgeschlossen.
Der Aufsatz eines unbekannten Autors über den Tod weckt jedoch sein Interesse. Monteiro Rossi, der Verfasser, und er freunden sich an. Pereira lässt ihn für sich schreiben, damit der junge Mann zu dringend benötigtem Geld kommt. Wie sich herausstellt, sind Monteiro Rossi und seine Freundin im Widerstand gegen das Regime aktiv. Pereira ist empört. Die Sympathie für den Wagemut des jungen Draufgängers lässt ihn jedoch nicht los. Im Widerstreit der Beiden erwachen Pereiras Lebensgeister und frühere Überzeugungen zu neuem Leben. Er beginnt, seine Mitwelt bewusster wahrzunehmen und entdeckt in alten Bekannten zunehmend Freunde und Unterstützer seines wachsenden Wunsches nach besseren Zeiten. Der Kellner im Café, der Priester seiner Kirche und der Arzt eines Sanatoriums, das Pereira wegen seiner Herzbeschwerden aufsucht, befördern diesen Geist. Der Drang zur Befreiung für ein menschenwürdiges Leben wächst und mit ihm die Bereitschaft, dem Regime die Stirn zu bieten.
Als der bei ihm untergetauchte Monteiro Rossi von der Geheimpolizei entdeckt und zu Tode geprügelt wird, bricht schließlich der Bann: Pereira umgeht die Zensur und veröffentlicht einen Nachruf auf den jungen Freund, in dem er die Verbrechen des Regimes schonungslos offenlegt und schließt sich im Ausland dem organisierten Widerstand an.
Die Verfilmung des gleichnamigen Romans von Antonio Tabucchi, veröffentlicht während des Aufkommens des Neoliberalismus und der heutigen Rechtsparteien (Silvio Berlusconi gründete 1993 die Forza Italia), zeigt überaus feinsinnig, überzeitlich und hoch aktuell, wie aus passivem Unmut aktive Gegenwehr erwachsen kann. Er macht auch deutlich, dass widerständiges Handeln jedem, jederzeit und überall möglich ist. Und: dass die Persönlichkeit an Bedeutung gewinnt mit der bewussten, solidarischen Gestaltung einer menschengemäßen Zivilisationsentwicklung.
Die engagierte Menschenfreundlichkeit überwindet alle Grenzen. Schluss mit Austerität.
„Man wird sagen, es sei recht wenig, was das einzelne Individuum seinen Kräften gemäß zu ändern vermag. Was nur bis zu einem gewissen Punkt stimmt. Denn der einzelne kann sich mit all denen zusammenschließen, die dieselbe Veränderung wollen, und wenn diese Veränderung vernünftig ist, kann der einzelne sich in einem imponierenden Ausmaß vervielfachen und eine Veränderung erzielen, die viel radikaler ist, als es auf den ersten Blick möglich erscheint.“
Antonio Gramsci, „Gefängnishefte“, Heft 10, Teil II, § (54), 1932-35.
Den Flyer gibt es hier auch als pdf.