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Filmseminar: Die verlorene Ehre der Katharina Blum

19. Januar 2022 @ 18:00 - 22:00

(Spielfilm |Margarethe von Trotta/Volker Schlöndorff | BRD 1975 |106 Min. | deu)


Einseitige Berichterstattung, mediale Stimmungsmache, die bewusste Bedienung gesellschaftlicher Vorurteilsstrukturen und gezielte Verleumdungskampagnen sind Formen öffentlicher Gewalt. Sie sind klar zu unterscheiden von eindeutig als solchem gekennzeichneten Meinungsjournalismus und einem ausgewogen argumentierenden, abwägend darstellenden und nachprüfbar recherchierten, der Sachverhaltsaufklärung und demokratischen Meinungs- und Willensbildung verpflichtetenQualitätsjournalismus, die zurecht von der Pressefreiheit geschützt sind. Dass die gerade hierzulande so hochgeschätzte „vierte Gewalt“ ihren Namen jedoch eher aufgrund erstgenannterPraktiken verdient, als wegen ihrer bewusst kritisch wahrgenommenen Kontroll- und Korrektivfunktion gegenüber der jeweils herrschenden Regierungspolitik, verwundert kaum, wenn man bedenkt, dass die allermeisten Print- und TV-Medien sich nach wie vor in der Hand einiger weniger, schwerreicher Familienkonzerne befinden, die ihr ganz eigenes, durchaus monetär beeinträchtigtes Verhältnis zur politischen, sozialen und kulturellen Realität im Lande haben.

Selten wurde diese Problematik so klug literarisch verarbeitet wie in der namensgebenden Erzählung von Heinrich Böll, die dieser – von eigener Erfahrung gespeist – mit dem Untertitel „Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann“ 1974 veröffentlichte, die 1975 in hochkarätiger Schauspielbesetzung (u.a. Mario Adorf, Angela Winkler, Rolf Becker, Hannelore Hoger) verfilmt wurde und die in herausragender Weise erhellt, wie wenig gerade jenen die demokratisch-rechtsstaatlichen Grundwerte tatsächlich wert sind, die diese stets besonders lautstark zu verteidigen“ vorgeben, sobald ihre profitable Ordnung ein wenig in Frage steht. Dann werden alle sozialkritisch, antifaschistisch und friedensbewegt Engagierten der 68er-Bewegung pauschal zu Staatsfeinden, Landesverrätern und Terroristen, alle nicht ganz mit den bestehenden Verhältnissen Einverstandenen zu potentiellen Sympathisanten und Terrorunterstützern, dann gebietet ein nationaler Notstand die Aufhebung der Gewaltenteilung und die Aussetzung elementar-zivilisatorischer Grundsätze wie den derUnschuldsvermutung, dann werden verdächtige Subjekte für vogelfrei erklärt und die Pressefreiheit zum Fallbeil der Lynchjustiz. Und verdächtig ist jeder, der z.B. nicht jede zurückgelegte Wegstrecke penibel im hauseigenen Fahrtenbuch dokumentiert hat oder ganz allgemein nicht jedes Detail seines Lebens offenzulegen bereit ist.

So ergeht es im Stück der unbescholtenen Hausdame Katharina Blum, die sich auf einer Karnevalsfeier in den als vermeintlichen Terroristen gesuchten Ludwig Götten verliebt und sich in der Folge just jenen „staatsverteidigenden“ Kräften ausgeliefert sieht, deren Legitimität sie bis dahin nie gewagt hätte, auch nur anzuzweifeln. Wenn am Ende jener Auseinandersetzung mit Polizei, Justiz und den Reportern der sog. „ZEITUNG“ sich tatsächlich ein Schuss aus der Hand Katharina Blums löst, steht nicht die Frage nach der Legitimität der Gewalt im Raum, sondern danach, wie sie zu überwinden ist.

Für den aufmerksamen Beobachter lässt sich zudem konstatieren, dass nicht nur im Staate Dänemark etwas gehörig faul ist und man darf – in heutiger Erkenntnis von Geschichte und Gegenwart – weitreichende Schlussfolgerungen ziehen für das persönliche, gemeinsame Engagement zur vollen Verwirklichung der demokratischen, sozialen, politischen und kulturellen Grundrechteim Bewusstsein ihrer antifaschistischen Bedeutung und ihres Zweckes der zivilen, allseitig menschenwürdigen Entfaltung in einem aufgeklärt-lebendigen Gemeinwesen.

So erwächst, lernend aus der Geschichte, der humane Sinn für ein besseres Morgen – schon heute.

Hinaus aus der Enge: International solidarisch Schluss mit Austerität!

„Die Gewalt von Worten kann manchmal schlimmer sein als die von Ohrfeigen und Pistolen.“ 

Heinrich Böll, Interview zur „Gewaltdebatte“ der 1970er-Jahre im Zusammenhang mit der RAF, Oktober 1974

Hier findet ihr den Flyer auch als pdf.

Details

Datum:
19. Januar 2022
Zeit:
18:00 - 22:00
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