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Citizen Kane

8. Juli 2020 @ 21:00 - 23:30

Spielfilm | Regie: Orson Welles | USA 1941 | 119 Min. | deu


Der Debütfilm von Orson Welles galt lange Zeit und bis heute noch unter zahllosen Kritiker*innen und Filmschaffenden als das herausragendste Filmwerk aller Zeiten. Zur Zeit seiner Entstehung – 1941, während der prosperierenden Hochphase der New-Deal-Politik Roosevelts in den USA – war er für die Filmfirma ein Flop. Das mag nicht nur damit zu erklären sein, dass die revolutionäre Ästhetik eines der ersten Autoren-Filme überhaupt seiner Zeit weit voraus war – später begründeten sich ganze Genres nach den wegweisenden Erzähl- und Inszenierungstechniken Welles‘. Es mag auch an der durchdringenden Infragestellung des Kernmythos vom „American Dream“ und dem mit dem kapitalistischen Aufstiegsversprechen untrennbar verknüpften Ideal des erfolgreichen „Self Made Man“ gelegen haben, mit dem Welles gegen die ganze Kaste der Reichen und Mächtigen zu Felde zieht, um der Gesellschaft zu zeigen, dass sie ihrer nicht bedarf.

Die im Film porträtierte Figur des „Bürgers“ Charles Foster Kane steht gleichnishaft für die „Elite“ der US-amerikanischen Gesellschaft. In jungen Jahren von den armen Eltern, die glücklich in den Besitz einer profitablen Goldmine geraten, in die Obhut eines Bankiers-Vormunds übergeben, genießt der jugendliche Kane die Freiheit seines Reichtums und leitet, nicht ohne liberale Ideale, die ihm gehörige Zeitung, die er jedoch um die Auflage zu steigern bald in ein kriegstreiberisches Boulevard-Blatt verwandelt und zu einem mächtigen Medien-Imperium ausbaut, mit dem er die öffentliche Meinung kontrolliert. Mit dem Einfluss wachsen auch Gefallsucht und Größenwahn. Seine Präsidentschaftsambitionen scheitern zwar am Einfluss des Mitkonkurrenten. Das tut jedoch seinem Glauben, dass man mit Geld alles kaufen kann, keinen Abbruch. Seiner Frau lässt er eigens ein Opernhaus errichten und sorgt medial für ihr Renommée als Sängerin, das sich aus ihrer Stimme sonst nicht hat begründen lassen. Als jedoch auch sie sich nach einem Zusammenbruch schließlich von ihm abwendet, steht er in seinem gigantomanen Prunkschloss inmitten angehäufter, unschätzbarer Kunstreichtümer völlig einsam und verbittert in den nun erkennbaren Trümmern seiner ruhmreichen Existenz. Seine letzten Worte gelten einer Kindheitserinnerung, die erzählerisch den Ausgangspunkt des Films bildet.

Die Figur Kane’s ist eng angelehnt an die Biographie des realen Zeitungsmoguls William Randolph Hearst, der quasi stellvertretend für die amerikanische Oberschicht, die Veröffentlichung des Films mit Hetzkampagnen und Gerichtsprozessen seinerzeit um jeden Preis zu verhindern suchte. Vergleiche mit heutigen Vertretern der herrschenden Schichten ergeben sich nahezu zwangsläufig. Die Brisanz des bahnbrechenden Werkes ergibt sich aus dem, was deutlich wird, ohne gezeigt zu werden: Haben ist nicht Sein. Ein sinnerfülltes, freudvolles und freundliches Leben gelingt wesentlich mit der Schaffung einer Welt, die solcher Gestalten nicht bedarf. Der New Deal – die Durchsetzung weitreichender sozialer Rechte und Sicherungsmaßnahmen, massive Investitionen in Bildung, Kultur, Gesundheit, Arbeit und wachsende Löhne für Alle und ein kultureller und intellektueller Aufbruch in eine Gesellschaft frei von Angst – ist die (hochaktuelle) durch weitreichende soziale Bewegungen erkämpfte Lösung der Krise einer vom Kane’schen Typus geprägten Gesellschaft. Der Film weist über diese Antwort noch hinaus, indem er zeigt: „uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun“.

Die Klassizität ist ein lehrreicher Genuss.

In diesem Sinne: Schluss mit Austerität!

Ja, renn nur nach dem Glück
Doch renne nicht zu sehr
Denn alle rennen nach dem Glück
Das Glück rennt hinterher.
Bertolt Brecht, „Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens“, 1928.

Hier findet ihr den Flyer auch als pdf.

Details

Datum:
8. Juli 2020
Zeit:
21:00 - 23:30
Veranstaltungskategorie:

Veranstaltungsort

Philturm
Von-Melle-Park 6
Hamburg, Hamburg 20146 Deutschland