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Filmseminar: Professor Mamlock

November 13 @ 20:00 - 23:30

(Spielfilm | Regie: Konrad Wolf | DDR 1961 | 100 Min. | deu)


Am 9. November vor 86 Jahren brannten in Deutschland die Synagogen. Die von den faschistischen Machthabern orchestrierte „Reichspogromnacht“ ebnete ideologisch den Weg für den völkischen Rassenwahn, der im Vernichtungsfeldzug des Zweiten Weltkriegs und dem industriellen Massenmord an 6 Millionen Jüdinnen und Juden kulminierte. Ihr vorausgegangen war die Verfolgung, Inhaftierung und Ausschaltung aller sozialkritisch-humanistisch orientierten, politisch und kulturell oppositionellen Kräfte, deren systematische Bekämpfung bereits in der Weimarer Republik um sich griff und auch von jenen „demokratischen“ Kreisen mitbetrieben wurde, die später selbst der Nazi-Diktatur zum Opfer fielen.

Die Präsentation von Sündenböcken, die als „Störenfriede“ für alle Krisenphänomene einer auf sozialer Ungleichheit beruhenden Gesellschaft schuldhaft verantwortlich gemacht werden sollen, folgt einer unheilvollen Tradition inhumaner Herrschaftssicherung. Die mentale Verdrängung des grundlegenden Interessengegensatzes zwischen Oben und Unten zugunsten einer verschärften Konkurrenz vermeintlich homogener Gruppen untereinander (z.B. „Einheimische“ vs. „Geflüchtete“) soll repressiven, antidemokratischen und militärisch-expansiven Schein-Krisenlösungen Legitimität verschaffen. So soll die objektiv notwendig gewordene humane, zivile, demokratisch-aufgeklärte Überwindung der globalen Ungleichheit verhindert werden.

Zur tatsächlichen Verwirklichung dieses zivilisatorischen Erfordernisses ist also (gerade) aus der (deutschen) Geschichte zu lernen, dass Niemand aus der positiven Verantwortung zu entlassen ist, jeglicher Verunglimpfung bestimmter Personen und gesellschaftlicher Gruppen schon im Ansatz fundamental couragiert zu widersprechen und solidarisch-rational entgegenzuwirken.

Kaum ein künstlerisches Werk illustriert die widerspruchsvolle Herausbildung dieser historischen Einsicht so anschaulich wie die 1961 (zur Zeit der beginnenden „Auschwitz-Prozesse“ in der BRD) von Konrad Wolf für die DEFA realisierte Verfilmung des gleichnamigen, 1933 von seinem Vater Friedrich Wolf veröffentlichten Dramas „Professor Mamlock“.

Schon die Eingangsszenerie entfaltet die grundlegende Spannung des Aufklärungsstücks: im wohlsituierten Hause Mamlock feiert man das Neujahr 1933. Zu den Gästen des liberal-gesinnten jüdischen Professors, der chefärztlich die Städtischen Frankfurter Kliniken leitet, gehören Bankdirektor Schneider, Zeitungsverleger Seidel und Oberarzt Carlsen – allesamt „arisch“, den aufkommenden Nazis jedoch aus geschäftlichen, konventionellen und geistigen Gründen eher skeptisch bis ablehnend gesinnt und aus denselben Gründen Mamlock persönlich wohlwollend verbunden. Während dieser in seiner Ansprache die Zuversicht bekundet, dass Vernunftglaube, demokratische Gesinnung und die Achtung der staatlichen Institutionen das Leben den Zeitläuften trotzend zum Guten wenden werden, wird ein Freund seines mit Kommunisten verbandelten Sohns Rolf auf offener Straße von SA-Leuten brutal niedergestochen. Als Mamlock von dem Überfall erfährt, rät er Rolf, sich auf die A-Politik zu besinnen. Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler und dem inszenierten Reichstagsbrand nimmt jedoch auch die Judenverfolgung zu. Als ihn auch seine renommierte Stellung als Wissenschaftler und seine Weltkriegsverdienste nicht mehr vor der Entlassung und öffentlichen Demütigung durch die Nazis schützen, seine vormaligen Freunde sich von ihm distanzieren und nur noch die Kommunisten für seine Rehabilitation kämpfen, revidiert er zunehmend seine politische Zurückhaltung und beginnt, sich zu wehren. Die Auflehnung erfolgt jedoch zu spät und so bleibt ihm nur noch, der Nachwelt in Person der inzwischen geläuterten Pflegerin Ruoff nahezulegen, aus seinem Schicksal zu lernen und einen anderen, tätigen Weg des Widerstands zur Verwirklichung der Humanität zu beschreiten.

So macht der historisch weitsichtige, präzise erzählte und dramaturgisch überzeugende Film nachhaltig erfassbar, was mit „Wehret den Anfängen!“ tatsächlich gemeint ist: Es ist der solidarisch zu verwirklichende Auftrag zur Schaffung von Lebensverhältnissen, in denen alle Menschen gleichermaßen in den vollen Genuss ihrer universellen sozialen, kulturellen und politischen Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten kommen. Die Würde des Menschen duldet keine Ungleichheit. Persönlich, gemeinschaftlich, global: ein Jeder ist dabei von Belang. Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler.
Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Pastor Martin Niemöller, im ev. Gemeinde-Saal Kaiserslautern, Ostern 1976.

Den Flyer findet ihr hier als [pdf] zum Download.

Details

Datum:
November 13
Zeit:
20:00 - 23:30
Veranstaltungskategorie:

Veranstaltungsort

Philturm
Von-Melle-Park 6
Hamburg, Hamburg 20146 Deutschland
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