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Filmseminar: Daens
29. November 2023 @ 20:00 - 23:30
Die Produktivität menschlicher Arbeit reicht längst dafür hin, Allen gleichermaßen ein Leben in Würde, Gesundheit, sozialer Sicherheit, kultureller Entfaltung und sinnstiftender Gestaltung der gemeinsamen Lebensbedingungen zu ermöglichen. Dieser gesellschaftliche Reichtum ist jedoch so destruktiv in den Händen Weniger konzentriert wie noch nie. Angesichts der politisch-ökonomischen, soziokulturellen, ökologischen und militärischen Krisenzuspitzung im globalen Maßstab ist also zivilisationsgeschichtlich von entscheidender Bedeutung, ob es gelingt, ihn endlich zum tatsächlichen Wohle Aller produktiv zu machen. Da dem von interessierter Seite immer wieder entgegengebracht wird, mit der liberalen Demokratie westlich-sozialstaatlicher Prägung lebten wir (mit ein paar Abstrichen vielleicht) schon in der besten aller denkbaren Welten, lohnt ein historischer Blick auf die tatsächliche Hervorbringung all jener gesellschaftlichen Errungenschaften, die dieses Zufriedenheitsgebot rechtfertigen sollen. Sie alle sind Ergebnisse von Kämpfen der organisierten Arbeiterbewegung, die schon mit ihrer Herausbildung im Europa des frühen 19. Jahrhunderts erkannte, dass die soziale Ungleichheit kein Naturgesetz ist, sondern von bestimmten Besitzverhältnissen kommt, die verändert und überwunden werden können.
Genau dieser historisch-aktuellen Erkenntnisbildung widmet sich der eindrucksvoll nach wahren Begebenheiten erzählte Film über die aufbegehrende belgische Arbeiterschaft und den ihr verbundenen „Arbeiterpriester“ Adolf Daens.
Ort der Handlung ist die flämische Stadt Aalst, Zentrum der industrialisierten Leinweberei, im Jahre 1890. Daens, der die sozialkritische Enzyklika „Rerum Novarum“ des Papstes als einer der wenigen Geistlichen überhaupt ernst zu nehmen scheint, ist zutiefst empört über das himmelschreiende Elend und die unmenschlichen Bedingungen, unter denen die Arbeitenden seiner Heimatstadt im Akkord Stoffe produzieren, um die Kassen der Fabrikbesitzer zu füllen. Unterernährte, zu Tode geschundene Kinder, deren Eltern sich nicht einmal das Begräbnis leisten können, sind ebenso an der Tagesordnung wie Willkür, Drangsal und Rechtlosigkeit. Als eine Wirtschaftskrise die Region erfasst und die Fabrikanten – unterstützt von der regierenden katholischen Partei – diese mit Lohnkürzungen durch Frauenarbeit und noch mehr Repression beantworten wollen, beginnt Daens, die skandalösen Missstände öffentlich anzuprangern. In der Lokalzeitung seines Bruders und in seinen Predigten zieht er gegen das Unrecht zu Felde. Seine Worte rütteln auf, insbesondere jene zahllosen religiös geprägten Arbeiter:innen, die den versprengten sozialistischen Agitatoren aus der Nachbarstadt zunächst mit tiefem Misstrauen begegnet waren. Ihr Aufbegehren wächst mit der neu gewonnenen Würde im solidarischen Kampf. Gegen alle Misshandlungen der Fabrikanten, der organisierten Staatsgewalt, von Streikbrechern, brutalen Vorarbeitern und Schlägertrupps gelingt es ihnen, in einem Generalstreik nicht nur das allgemeine Wahlrecht durchzusetzen. Durch konzertierte Aufklärungsaktionen von Sozialisten, Liberalen und Daensisten wird Pastor Daens auch zum Abgeordneten des neuen Parlaments gewählt – als erster, der dort die Interessen der Arbeiter:innen vertritt. Trotz aller niederträchtigen Verfolgung durch die herrschenden Kreise, die mithilfe des Königs den Papst involvieren, um Daens‘ Exkommunikation zu erwirken und die Streikenden niederzuschlagen, widerruft Daens nicht. Vom unbeugsamen Mut der Entrechteten gefordert, stellt er stattdessen sein Wirken neu irdisch begründet in den Dienst ihrer gemeinsamen Sache: des Kampfes für Gerechtigkeit und ein würdevolles Leben für Alle.
So lässt der Film auf nachhaltige Weise gewichtige Erkenntnisse für das Hier und Heute bilden: noch nie in der Geschichte sind soziale Fortschritte und zivilisatorische Errungenschaften vom Himmel gefallen. Die Konkurrenz ist kein Naturzustand menschlicher Vergesellschaftung, sondern das zu überwindende Gift einer überwindbaren Ausbeutungsgesellschaft. Das solidarisch-assoziierte Wirken für menschenwürdige Lebensverhältnisse ist die wesentlich sinnstiftende, perspektivbildende Vermenschlichungstätigkeit, die alle Nicht-Milliardäre global eint. Wer sich so als Gleiche begreift, wächst über sich hinaus. Eine bessere Welt zu schaffen, liegt in unserer Hand.
Brot, Frieden, Würde – jetzt! International solidarisch: Schluss mit Austerität.
„Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“
Karl Marx, „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung“, MEW Bd. 1, 1844.
Den Flyer findet ihr hier auch als pdf.
Gefördert durch die Hamburger Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration