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Filmseminar: Mama, ich lebe
30. August 2023 @ 21:00 - 23:30
(Spielfilm | Regie: Konrad Wolf | DDR 1976 | 98 Min. | deu)
Am 1. September vor 84 Jahren begann Deutschland mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg. Dem Raub- und Vernichtungsfeldzug der Faschisten fielen weltweit mehr als 65 Millionen Menschen zum Opfer. Die Bürger:innen der Sowjetunion trugen mit 27 Millionen Toten die Hauptlast dieses Krieges. Ihr maßgebliches Verdienst war es zugleich, dass es am 8. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht einer internationalen, weltanschauungsübergreifenden Allianz der antifaschistischen Kräfte gelang, die Welt von der Barbarei des Faschismus zu befreien und eine neue Etappe der Zivilisationsentwicklung zu eröffnen.
Die weitreichenden Lehren aus der Befreiung fanden Niederschlag in der Gründungscharta der Vereinten Nationen sowie im deutschen Grundgesetz, in denen der Erhalt bzw. die Schaffung des Friedens als oberstes Gebot allen staatlichen Handelns ebenso kodifiziert sind wie u.a. die dynamische Realisierung soziokulturell menschenwürdiger Lebensbedingungen, das Verbot jeglicher Rüstungsproduktion sowie die vitale demokratische Gestaltung aller gesellschaftlichen Bereiche – damit Krieg und Vernichtung ein für allemal aus dem Denken und Handeln der Menschheit verbannt seien. Diese Erkenntnisse bedürfen heute neu der engagierten Verwirklichung.
Konrad Wolf, im Alter von 19 Jahren als im Moskauer Exil aufgewachsener deutscher Kommunist und Rotarmist an der Befreiung Berlins beteiligt, schuf als DEFA-Regisseur mit „Mama, ich lebe“ einen Film, der schon 1976 diese notwendigen Schlussfolgerungen den Menschen in Ost und West neu zu Bewusstsein bringen sollte.
Es ist die fiktive, aber an reale Geschehnisse angelehnte Geschichte von vier deutschen Wehrmachtssoldaten, die in sowjetische Kriegsgefangenschaft geraten sind und sich angesichts der Greuel des Krieges freiwillig in der dort gegründeten Antifa-Schule zum Einsatz in den Reihen der Roten Armee melden. Es sind unterschiedliche Motive, die sie zu diesem Schritt veranlassen und die der Film erst nach und nach dem Zuschauer enthüllt – just so, wie es auch Major Mauris ergeht, ihrem sowjetischen Bevollmächtigten, der beauftragt ist, sie für die Aufklärungsarbeit an der Front zu qualifizieren. Sie sollen deutsche Soldaten dazu bewegen, die Waffen niederzulegen.
Weil der grausam geführte Krieg immer mehr Opfer fordert, muss Mauris gleichzeitig auch Versuche von Vorgesetzten abwehren, die vier Freiwilligen zu waghalsigen, bewaffneten Einsätzen abzuwerben, zu denen ihm die „Überläufer“ mental noch nicht bereit zu sein scheinen. So lernen die Vier, gespiegelt in den unterschiedlichen Reaktionen der ihnen begegnenden sowjetischen Menschen, die realen Auswirkungen des von ihnen einst mitgemachten Vernichtungskriegs begreifen. Je mehr sich die von Rückblenden, Eindrücken, Begegnungen, Fragen, Zweifeln und Auseinandersetzungen geprägte Fahrt der Front nähert, desto deutlicher tritt zu Tage, dass es auf die Frage, wie dieser Krieg zu beenden ist, keine einfache Antwort gibt. Im Angesicht der tiefsten Barbarei muss das Zutrauen in die Entwicklungsfähigkeit des Menschen stetig neu errungen werden, damit die Humanität obsiegen kann.
Das große Verdienst dieses eindrucksvoll wirklichkeitsnah erzählten Films besteht gerade darin, dieses Ringen zu veranschaulichen und damit zu zeigen, inwiefern die Entwicklung einer konsequent antifaschistisch-widerständigen Handlungsweise selbst einstigen Mitläufern des Nazitums möglich ist. Dieser arge Weg der Erkenntnis hat zur Voraussetzung den unbedingten Willen aller Beteiligten zur lernend-tätigen Vermenschlichung. Er führt jedoch unausweichlich auch über Fehlentscheidungen, die unter den Bedingungen entfesselter Inhumanität tödlich sein können.
Gerade so lehrt die Geschichte, dass heute nichts dringlicher geboten ist, als global Bedingungen zu schaffen, in denen solche Entscheidungen gar nicht erst getroffen werden müssen.
Die filmisch beispielgebend gezeigte, frontenüberschreitende Verständigung zur zivilen Entwicklung einer menschenwürdigen Welt ist dafür von tiefgreifender Bedeutung.
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„Me-Ti sagte: Das Schicksal des Menschen ist der Mensch.“
Bertolt Brecht, „Me-Ti. Buch der Wendungen“, entstanden im Exil der 1930er Jahre.