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Filmseminar: „¡No!“
6. März 2019 @ 20:00 - 23:30
„No!“, Chile 2012, Deutsch, 118 min
„Schönster aller Zweifel aber, wenn die verzagten Geschwächten den Kopf heben und an die Stärke ihrer Unterdrücker nicht mehr glauben!“ (Bertolt Brecht, „Lob des Zweifels“, 1939)
Chile, 1988: Nach 16 Jahren Militärdiktatur unter dem faschistischen General Augusto Pinochet, der sich mithilfe von CIA, Pentagon und US-Großkonzernen 1973 gegen die demokratisch gewählte, sozialistische Bündnisregierung Salvador Allendes und der Unidad Popular an die Macht geputscht hatte; nach 16 Jahren der blutigen Repression aller ansatzweise kritischen Regungen, des neoliberalen Ausverkaufs der Reichtümer des Landes an internationale Finanziers, der Zuspitzung des sozialen Elends auf der einen und vulgärster Günstlingswirtschaft auf der anderen Seite und eines alltäglich drückenden Überwachungsregimes ist die chilenische Gesellschaft mehrheitlich in Angst erstarrt. Auf Druck der internationalen Solidaritätsbewegung und der chilenischen Linken im Exil hin ist jedoch erwirkt, dass Pinochet das in seiner Junta-Verfassung (1980) vorgesehene Referendum über die Verlängerung seiner „Präsidentschaft“ um weitere 8 Jahre tatsächlich durchführen muss. Und dass den übrigen Parteien die Möglichkeit zu geben ist, im staatlich kontrollierten Fernsehen 15 Minuten täglich für ihre Position des „Nein“ dabei zu werben.
Hier setzt die Handlung des Films ein. Der fiktionale, liberal-etablierte Werbefachmann René Saavedra vermarktet alles, bis er von einem kommunistischen Freund seiner exilierten Eltern gebeten wird, die Fernsehkampagne für das „No!“ zu leiten. Die Herausforderung könnte größer kaum sein: 17 Parteien – Christdemokraten, Liberale, bürgerliche Humanisten, Sozialdemokraten, Kommunisten und Weitere – müssen sich auf eine Stoßrichtung der Kampagne einigen. Kaum einer glaubt überhaupt an einen positiven Ausgang und keiner kann mit den glatten Werbeideen von Saavedra etwas anfangen. In der streitbaren Auseinandersetzung gelingt jedoch, die Zeichnung der hoffnungsvollen Perspektive eines besseren Chile als Gemeinsamkeit zu bilden. Die Kampagne schlägt ein, wie eine Bombe. Das Regime reagiert mit Zensur, Lüge, Denunziation, Einschüchterung und Korruptionsangeboten. Nichts wirkt. An dem zum Akt des Widerstands gewordenen Dreh der Werbefilmchen wollen immer mehr mitwirken: Musiker, Schauspieler, Richter, Fernsehmoderatoren. Die Überzeugungskraft der vorweggenommen realisierten und dargestellten, besseren Gesellschaft, für die das „No!“ steht, reißt dem Regime den Schleier herunter und zeigt allen, dass es keine Perspektive hat. Das für unmöglich Gehaltene ist möglich geworden: Pinochet wird abgewählt.
Das Filmende verweist jedoch auch darauf, dass mit der formaldemokratischen Beseitigung der Diktatur noch lange nicht alle Hoffnungen auf ein besseres, solidarisches Chile verwirklicht sind. Der Regisseur widmete den Film der 2012 erwachenden Schüler- und Studentenbewegung, die mit linken Parteien und Gewerkschaften monatelang landesweite Proteste organisierte, um die noch immer geltende Verfassung der Militärjunta durch eine neue zu ersetzen, in der soziale Grundrechte wie Bildung, Gesundheit, Arbeit und Wohnen endlich Verankerung fänden. Der Film, der akribisch und mit viel archiviertem Originalfernsehmaterial auch das Zeitkolorit rekonstruiert, zeigt – trotz manch liberaler Begrenztheit – ausnehmend aktuell, packend und lehrreich auf, wie progressive gesellschaftliche Transformationen gelingen können:
„El pueblo unido, jamás será vencido!“ (Die vereinigte Bevölkerung ist nicht besiegbar!)
Liedtext von Quilapayún, 1973.
Hier findet ihr den Flyer als pdf